Biallo.at: Konsumenten werden aus der Sicht der Arbeiterkammer beim Kauf von Finanzprodukten oft mit falschen Informationen irregeführt.
Harald Glatz: Ja, das stimmt, nehmen Sie das Beispiel Meinl European Land (MEL): Während der Verkaufsprospekt in augenfälliger Weise auf Chancen in Zentral- und Osteuropa hingewiesen hat, wurde auf eine Reihe von Risken, die mit dem Investment verbunden sind, nur an versteckter Stelle hingewiesen.
Biallo.at: Sie meinen, wichtige Informationen und Risiken zu den Finanzprodukten werden von den Anbietern gerne verschwiegen?
Glatz: Die Werbeprospekte von komplexen Finanzprodukten stellen diese in blumiger Sprache als weitgehend sicher da. Bei diesen Produkten wendet sich die Werbung immer wieder an den typischen Sparbuchsparer, also an Menschen, die grundsätzlich Sicherheit einer hohen Renditechance vorziehen und im Umgang mit Aktien, Zertifikaten und anderen Wertpapieren wenig Erfahrung haben.
Biallo.at: Stehen bei der Gestaltung von Finanzprodukten immer wieder auch ganz andere Interessen im Vordergrund als der Nutzen für die Anleger?
Glatz: Ja. Denken Sie an die Einführung der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge in Österreich, mit der die private Altersvorsorge belebt werden soll. Hier ging und geht es vor allem um die Förderung der Wiener Börse. Das Produkt muss einen Aktienanteil von 40 Prozent haben.
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Biallo.at: Sie fordern bessere Finanzprodukte für die Basisbedürfnisse der Konsumenten wie Krisenvorsorge, Altersvorsorge, Wohnraumbeschaffung und Sparen für Konsumgüter. Was müssen diese Produkte können?
Glatz: Sie müssen sicher, transparent und flexibel sein.
Biallo.at: Wie sicher?
Glatz: In erster Linie muss das gesparte oder eingesetzte Kapital in seiner Substanz zumindest erhalten bleiben. Das gilt insbesondere für die private Altersvorsorge, aber naturgemäß auch für andere Finanzprodukte, die die Basisbedürfnisse der Menschen absichern sollen.
Biallo.at: Sie haben aber als Arbeiterkammer noch zusätzliche Forderungen?
Glatz: Gerade bei der privaten Altersvorsorge sollten Finanzprodukte eine Nennwertgarantie bzw. eine Mindestverzinsung aufweisen. Darüber hinaus muss der Staat einen Rahmen schaffen, der Sparer und Anleger vor einem plötzlichen Vermögensverlust schützt, wie etwa bei Insolvenz einer Bank oder eines Finanzdienstleister. Es sollte zudem klargestellt werden, dass auch „Sparvereins-Sparer“ pro Person individuell durch die Einlagensicherung abgesichert sind.
Biallo.at: Ist auch die Flexibilität oder Liquidität ein wichtiges Kriterium. Beispielsweise die Ausstiegsmöglichkeit durch Kündigungsfristen ohne hohe Aus- und Umstiegsgebühren?
Glatz: Unbedingt. Bei der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge ist gesetzlich eine Mindestbindefrist von zehn Jahren vorgesehen. Manche Versicherer bieten derartige Produkte aber erst ab einer Laufzeit von 15 Jahren an.
Biallo.at: Gibt es hier auch positive Beispiele?
Glatz: Die Fondsprodukte der Banken sind flexibler als die Versicherungsprodukte. Denn bei allen untersuchten Fonds gibt es die gesetzliche Mindestbindung von zehn Jahren und nicht etwa 15 Jahre wie bei manchen Versicherern. Positive Beispiele bei den Fondsprodukten sind bei der Erste Bank zu finden, bei der die Anleger nach Ablauf der Mindestbindefrist jederzeit aussteigen können. Auch das Modell der Volksbank Wien ist nennenswert, da sich der Vertrag nach zehn Jahren jeweils um ein weiteres Jahr verlängert - und nicht etwa um zehn volle Jahre.
Biallo.at: Und wer ist weniger kundenfreundlich?
Glatz: Wie unser Beratungstest gezeigt hat, forcieren die Versicherungsanbieter noch immer Laufzeiten bis zum Pensionsantrittsalter. Somit verlieren die Anleger jegliche Flexibilität, da ein vorzeitiger Ausstieg immer mit Nachteilen verbunden ist.
Biallo.at: Was rät die Arbeiterkammer hier den Konsumenten?
Glatz: Die Kostenbelastung, die bei Versicherungsprodukten von der Laufzeit abhängig ist und die Nachteile bei einem Rückkauf sind ein gutes Argument, bei der prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge kurze Laufzeiten zu wählen. Diese ist etwa bei Fonds- bzw. Bankprodukten der Fall.
Geboren 1948, ist Harald Glatz im Burgenland aufgewachsen. Er studierte Rechtswissenschaft sowie Politikwissenschaft in Wien. Seit 1974 ist Glatz Mitarbeiter der Umweltpolitischen Abteilung der Arbeiterkammer Wien, seit 1979 Leiter der Abteilung und seit 1982 Geschäftsführer des Instituts für Wirtschaft und Umwelt der Arbeiterkammer Wien. Hinzu kommen Lehraufträge an den Universitäten Salzburg, Graz und Wien zum Thema Umwelt- und Energiepolitik sowie diverse Publikationen. Seit 1995 ist Harald Glatz Leiter der Abteilung Konsumentenschutz der Arbeiterkammer Wien.