Biallo.at: Die Europäische Zentralbank (EZB) hat in ihrer jüngsten Sitzung den Leitzins unverändert auf dem Tiefststand von 0,75 Prozent belassen. Wird da die Wirkung niedriger Kreditzinsen auf Unternehmen nicht total überschätzt? Für Unternehmer gibt es doch weit wichtigere Faktoren, die darüber entscheiden, ob investiert wird?
Wolfgang Klein: Die Finanzierungskosten sind ein wichtiger Parameter bei Investitionsentscheidungen – sie spielen aber nicht die Hauptrolle. Freilich werden Unternehmen nur dann investieren, wenn sie ihre Absatz- und Ertragserwartungen als gut einschätzen. Somit sind vor allem das wirtschaftliche Umfeld, die weitere konjunkturelle wie auch branchenspezifische Entwicklung für Investitionsvorhaben relevant, denn die getätigten Investitionen müssen sich ja über den künftigen Umsatz rechnen.
Die Unsicherheit im Zusammenhang mit der Schuldenkrise belastet das Geschäftsklima derzeit – und damit auch das Investitionsklima. Dazu kommen noch aktuell äußerst moderate Wachstumsprognosen, die Unternehmer verständlicherweise Zurückhaltung zeigen lassen. Wer dennoch investiert und dies über Kredite finanziert, achtet vor allem auf seine Bonität. Je besser die Bonität des Unternehmens ist bzw. je werthaltiger die beigebrachten Sicherheiten für den Kredit sind, desto geringer fallen die Kosten für die Kreditfinanzierung insgesamt aus. Für Unternehmen, die also Investitionsbedarf haben und über eine gute Bonität verfügen bzw. entsprechende Sicherheiten vorweisen können, sind ein niedriger Leitzins und damit niedrige Kreditzinsen zusätzlich von Vorteil.
Biallo.at: Ist zu befürchten, dass die EZB den Leitzins noch weiter senkt – eventuell sogar auf null Prozent?
Klein: Wir rechnen mit einer weiteren Senkung des Leitzinssatzes auf 0,50 Prozent – sofern sich die Konjunktur nicht bald aufhellt. Eine Zinssenkung bis auf null ist theoretisch möglich, aus unserer Sicht aber unwahrscheinlich.
Biallo.at: Die Sparneigung sinkt in Österreich seit einigen Jahren. Wird sich dieser Trend angesichts der extrem niedrigen Sparzinsen, die oftmals unter der Inflationsrate liegen, noch beschleunigen?
Klein: Die Sparneigung ist zurzeit recht niedrig, ist aber vom Zinsniveau kaum abhängig. Vielmehr spielt hierbei die Entwicklung der verfügbaren Einkommen sowie Perspektiven bezüglich allgemeiner Wirtschaftslage, eigener finanzieller Situation und Arbeitsmarkt eine Rolle.
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So sichern Sie sich niedrige Zinsen
Biallo.at: Die Finanzierung der gesetzlichen Alterspension wird immer schwieriger. Gleichzeitig gefährden die niedrigen Sparzinsen allmählich auch jede Form der privaten Vorsorge in Form von Lebensversicherungen, Prämienbegünstigter Zukunftsvorsorge (PZV), aber auch die Zusatzpensionen durch die privaten Pensionskassen. Gibt es da noch Alternativen für die private Altersvorsorge oder ist Armut im Alter bereits unvermeidlich?
Klein: Die Vorteile der Vorsorge im Rahmen einer klassischen Lebensversicherung liegen neben dem – wenn auch aktuell niedrigem – garantierten Rechnungszins vor allem in der Auszahlungsform der lebenslangen, garantierten Pension. Dies bedeutet im Falle einer lebenslangen Pension, dass die Versicherung auch dann noch Pensionszahlungen leistet, wenn das angesparte Kapital längst aufgebraucht ist.
Wenn sich Kunden in Zeiten der niedrigen Sparzinsen für eine andere Veranlagungsalternative für die Altersvorsorge entscheiden, entgeht ihnen der besondere Vorteil der Garantie der aktuell gültigen Berechnungsgrundlagen (Rechnungszins, Sterbetafeln) in der klassischen Pensionsvorsorge. Durch die steigende Lebenserwartung bedeutet das einen deutlichen monetären Vorteil in der späteren Rentenzahlungsphase.
An einem Beispiel lässt sich dies verdeutlichen: Ein 40jähriger, der vor 20 Jahren eine klassische Pensionsvorsorge abgeschlossen hat, kann allein aufgrund der damals gültigen Sterbetafeln eine rund 20 Prozent höhere Rente genießen als ein 40jähriger Kunde, der heute eine garantierte Pensionsvorsorge abschließt. Und die statistische Lebenserwartung steigt in Österreich weiterhin.
Von längerfristig wieder steigenden Zinsen sind unsere Pensionsvorsorge-Kunden auch nicht ausgeschlossen – sie profitieren durch die Gewinnbeteiligung, die sowohl in der Ansparphase auf das Kapital als auch in der Rentenzahlungsphase auf die Pensionen gutgeschrieben wird.
Biallo.at: Bis wann erwarten Sie eine so spürbare Erholung der Sparzinsen, dass Sparer wieder eine reale Verzinsung ihrer Sparguthaben nach Abzug der Inflationsrate und der Kapitalertragsteuer erwarten können?
Klein: Wir erwarten, dass wir uns noch lange in einem ausgeprägten Niedrigzinsumfeld bewegen. Vor 2014 ist unseres Erachtens mit keiner substanziellen Erhöhung der Leitzinsen zu rechnen. Am langen Ende sollte jedoch im Lauf des kommenden Jahres ein leichter Anstieg erfolgen.
Biallo.at: In den Nachkriegsjahren war Sparen eine Tugend, die von den Familien und vielen Institutionen gefördert wurde. Viele Bürger sind durch die laufende Entwertung ihrer Ersparnisse durch Inflation und Kapitalertragsteuer schwer enttäuscht – erfolgt jetzt die Umerziehung der Bürger per niedrige Zinsen zum Schuldenmachen, um die Wirtschaft zu beleben und dem Staat noch mehr an Steuern zu verschaffen?
Klein: In Zeiten von sehr volatilen Finanzmärkten und der Gefahr von steigender Geldentwertung kommt der Veranlagung besonders großer Bedeutung zu. Der Erhalt des Kapitals und die Sicherung der Kaufkraft können meist durch Veranlagungen mit Inflationsschutz gesichert werden.
Veranlagung in Rohstoffe stellen ebenfalls eine interessante Anlagealternative als Beimischung zu traditionellen Veranlagungsformen dar. Das Wirtschaftswachstum in Asien mit seinen bevölkerungsreichen Ländern wirkt sich unmittelbar auf die Nachfrage nach Rohstoffen aus. Vor allem China ist zu einem bedeutenden Importeur geworden. Dieses Wachstum zieht eine enorme Nachfrage an Rohstoffen nach sich. Da naturgemäß diese Ressourcen begrenzt sind, wird dieser wachsende Bedarf die Rohstoffpreise langfristig nach oben treiben.