Biallo.at: Im Unterschied zu Griechenland verfügt Italien über eine wettbewerbsfähige Wirtschaft mit exzellenten Unternehmen. Trotzdem gilt Italien mittlerweile als der nächste Kandidat für EU-Finanzhilfen. Kann sich Italien noch aus eigener Kraft sanieren?
Stefan Bruckbauer: Italien finanziert seit Jahren dank eines Primärüberschusses im Budget (d.h. abzüglich der Zinsen gibt Italien weniger aus als es einnimmt, dies gelingt nur wenigen Ländern der Welt, etwa auch der Schweiz) seine hohe Verschuldung, die allerdings im Unterschied zu vielen anderen Ländern heute nicht höher ist als vor einigen Jahren. Auch ist die durchschnittliche Laufzeit relativ lang. Der Weg der weiteren Budgetsanierung wurde begonnen. Italien kann daher seine Schulden finanzieren, solange es zu keiner ernsthaften Gefährdung des Euroraumes kommt, aber auch hier wird Italien durch den hohen Anteil an Inlandsfinanzierung nicht so hart getroffen wie andere Länder.
Biallo.at: Was muss jetzt wie schnell passieren, damit Italien das Wohlgefallen der Rating-Agenturen wieder zurückgewinnen kann?
Bruckbauer: Das wichtigste sind natürlich die Rahmenbedingungen im Euroraum, die sich nicht weiter verschlechtern dürfen. Dies vorausgesetzt muss Italien den beschlossenen Weg bei der Budgetsanierung weitergehen und vor allem auch die notwendigen Strukturreformen einleiten. Hier ist sicherlich noch einiges zu tun, denn das schwache Wirtschaftswachstum, nicht Überschuldung, ist das Problem Italiens.
Biallo.at: Kann das die Regierung Berlusconi schaffen, oder sind hier rasche Neuwahlen notwendig, um einen Neuanfang zu setzen?
Bruckbauer: Wie man gesehen hat, hat die Regierung Berlusconi rasch Beschlüsse durchgebracht, die zur Budgetsanierung notwendig waren. Ob alle Reformen mit dieser Regierung schaffbar sind, wird sich weisen.
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Biallo.at: Die Krise Italiens hat bereits massive Kursstürze an der Mailänder Börse ausgelöst. Vor allem die italienischen Banken sind von der Verunsicherung an den Finanzmärkten betroffen. Die Vernichtung von Börsewerten in Milliardenhöhe hat auch die UniCredit inklusive Bank Austria zu spüren bekommen. Die jüngste Finanzkrise hat die Bank Austria als einzige systemrelevante Bank in Österreich ohne Finanzhilfe bewältigt. Kann die Bank Austria auch eine verschärfte Italienkrise aus eigener Kraft bewältigen?
Bruckbauer: Eine verschärfte Italienkrise wäre eine verschärfte Eurokrise mit all den negativen Konsequenzen für Europa und alle offenen Volkswirtschaften und deren Banken. Es ist eine Illusion zu glauben, dass das nur ein einzelnes Unternehmen oder ein einzelnes Land treffen würde. Das wäre ein Problem ganz Europas und auch ganz Österreichs. Italien ist unser zweitwichtigster Handelspartner. Der Großteil des Auslandsvermögens der Österreicher (Banken, Versicherungen, Fonds, Private und Firmen) von über 750 Milliarden Euro liegt im Euroraum und mehrheitlich nicht in Deutschland. Die Folgen eines Zerfalls des Euroraums als Folge einer Verschärfung der Finanzierungskrise in Spanien, Italien oder Belgien würde die Bank Austria genauso treffen wie jede andere Bank in Österreich und die österreichische Wirtschaft insgesamt.
Biallo.at: Sehen Sie in den Beschlüssen des jüngsten EU-Gipfels zur Stabilisierung der Euroländer eine Lösung, die die Spekulation gegen einzelne Euroländer wie etwa Italien für zumindest dieses Jahr bändigt, oder erleben wir gerade ein Vorspiel für noch massivere Attacken auch auf große Euro-Mitgliedsstaaten?
Bruckbauer: Ich denke es liegt in der Hand der Politik, noch klarer zu zeigen, wohin der Weg gehen wird. Leider hat man mit der bisherigen Zögerlichkeit den Preis und die Risken für die Stabilisierung dramatisch erhöht. Wie die Politik in den nächsten Wochen reagiert, wie sie die bisherigen Beschlüsse umsetzt und mit deren möglichen Folgen umgeht, wird darüber entscheiden, ob wir einen verschärften Stress erleben werden oder nicht.