Die Digitalisierung hält einiges parat. Manfred Lappe legt in einem Kommentar seine Meinung zu virtuellen Wertpapieren dar.
Blockchain, Start-Up, virtuell: In Österreich ist es noch nicht möglich, in Deutschland bereits jetzt Realität: Ein Start-Up setzt die Blockchain-Technologie ein und finanziert sich über virtuelle Wertpapiere. Bei so vielen modischen Eye-Catchern ist die mediale Aufmerksamkeit gesichert, muss das Vorhaben ja erfolgreich sein? Zumindest die deutsche Finanzaufsicht Bafin hat einmal zugestimmt. Aber deren Prüfung ist ja formaler Natur.
Was aber hat es mit den virtuellen Wertpapieren auf sich?
Zuerst einmal handelt es sich bei den Wertpapieren um Anleihen. Der Emittent verzichtet also auf den Gang zur heimischen Bank und leiht sich das benötigte Geld bei Anlegern. Die Schuldverschreibungen laufen über zehn Jahre und bringen immerhin vier Prozent je Jahr. Bei risikolosen Bundespapieren ist kaum mehr als ein Nullprozenter drin, vier Prozent signalisieren schon eine Gefahr.
Aber was ist denn jetzt virtuell? Nun, bisher musste jedes Wertpapier mit einer Urkunde unterlegt werden. In früheren Jahren sehr dekorativ gestaltet und zumeist je Stück, in den letzten Jahrzehnten nur noch als recht schmucklose Sammelurkunden. Virtuell wird die Urkunde jetzt dadurch, dass sie „Tokenisiert“ wird. Der Token auf der Blockchain fungiert also als Legitimationshinweis und übernimmt so die Aufgabe der bisher papierbasierten Urkunde. Und die Bafin sagt: „ein Instrument, das inhaltlich als Vermögensanlage ausgestaltet ist, in Form eines frei übertragbaren und handelbaren Token digitalisiert.“ Und was hat der Anleger von dieser „Tokenisierung“? In jedem Fall einmal die Befriedigung, dass für die gesamte Emission ein (1!) Blatt Papier eingespart wurde, die Natur wird also geschont: ein nachhaltiges Investment! Und als „Neben“effekt das Gefühl, auch als Anleger ganz vorne mit dabei zu sein bei der digitalen Zukunft!
Bei all der heutigen Digitalisierungsgläubigkeit sollte aber nicht vergessen werden, dass eine Anleihe ein Gläubigerpapier ist. Sie glauben, dass Sie Ihr Geld wiedersehen und die Zinsen auch ausbezahlt werden. Dies aber sollten Sie nicht blind tun, sondern sich mit dem jeweiligen Unternehmen und seinen Marktchancen auseinandersetzen. In jedem Fall ist der für heutige Zeiten recht hohe Zinskupon ein Warnzeichen, dass nicht achtlos oder in Gier ignoriert werden sollte.
Die (nur formelle) Prüfung und Zulassung der virtuellen Wertpapiere durch die deutsche Aufsicht hat für Anleger den Vorteil, dass auch ein Verkaufsprospekt erstellt werden muss. Und dieser muss auf bekannte Risiken hinweisen. Und Verkaufsprospekte sollte man lesen. Dann erfährt man in diesem konkreten Fall nämlich, dass die Zinszahlungen und die Kapitalrückzahlung nicht in Euro erfolgen werden. Sondern in der Kryptowährung Stellar Lumen! Noch ein Pluspunkt in Sachen Digitalisierung? Kann sein, in jedem Fall aber ein zusätzliches Risiko. Denn ob die Stelar Lumen in zehn Jahren immer noch den gleichen Wert haben werden und/oder dann auch zurück in Euros getauscht werden können, dass kann Ihnen heute niemand verlässlich sagen.