In der Finanzbranche gibt es den Spruch: “Never miss a good crisis!” Und es war in der Tat eine besondere Krise, die wir jüngst durchlebt haben bzw. noch durchleben. Die Lehren daraus sollten für Vermögensverwalter wie Anleger nicht neu sein. Alte Weisheiten wie der Zusammenhang zwischen Rendite und Risiko und die Bedeutung von Diversifikation wurden zum Teil schmerzlich wieder ins Bewusstsein gerückt.
Euro hatte von 2000 bis 2008 seinen Wert gegenüber dem Dollar verdoppelt
Trotz all der Schwierigkeiten darf man von den Grundsätzen erfolgreichen Investierens nicht abrücken. Und die Suche nach neuen Investmentideen darf nicht zu erratischen, im schlimmsten Fall von Panik getriebenen Reaktionen führen. In (fast) jedem Marktumfeld bieten sich auch Chancen. Natürlich ist der Euro im Vergleich zum US-Dollar unter Druck. Aber die von vielen herbeigeredete “Schwäche” des Euro muss man auch in ihrer Historie sehen. Da zeigt sich nämlich, dass sich der Euro in seiner kurzen Geschichte durchaus volatil zum US-Dollar gezeigt und insbesondere von 2000 bis 2008 seinen Wert gegenüber der US-Währung verdoppelt hat. Eine Tatsache, die für einen exportorientierten Wirtschaftsraum nicht gerade förderlich ist. Vor allem dann nicht, wenn sich der Inflationsdruck ohnehin in Grenzen hält.
Der Euro war wohl lange Zeit zu fest. Die heftige Kurskorrektur seit Dezember 2009 als Ergebnis einer zunehmenden Risikoaversion vor allem gegenüber dem europäischen Bankensektor hat zu einem beispiellosen Schritt der EU-Institutionen im Verbund mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) geführt. Sie wird aber mittelfristig auch zu einem Durchleuchten der Unternehmen hinsichtlich ihrer Umsatz- und Kostenstrukturen führen. Keine Frage: der schwächere Euro wird vor allem Unternehmen, die einen Großteil ihrer Kosten in US-Dollar haben (z. B. viele Rohstoff importierenden Unternehmen), Kopfschmerzen bereiten. Die Umsatzseite darf dabei aber nicht vergessen werden.
Schwächerer Euro bringt Wachstumsimpulse
Produkte aus der Eurozone werden auf dem Weltmarkt konkurrenzfähiger. Das werden hoffentlich nicht nur die Deutschen spüren, sondern auch andere Exporteure der Eurozone. Vom Wachstumsmomentum hinkt der Euro-Raum den USA nach wie vor weit hinterher. Allerdings geben die jüngsten Daten zu den Auftragseingängen der deutschen Industrie Anlass zur Hoffnung, dass sich der “schwache” Euro positiv auszuwirken beginnt. Die im Mai veröffentlichten Exporte für März zeigen ebenfalls schon eine überraschend starke Entwicklung.
Bleibt zu hoffen, dass von dieser Seite ein Wachstumsimpuls kommt. Ein Impuls, den die Eurozone gerade im Umfeld steigender Staatsverschuldung gut gebrauchen könnte. Wie auch immer die Geschichte um die Eurozonen-Peripherie ausgehen mag, auch wenn wir momentan im Euro-Raum untergewichtet sind, die obigen Punkte gilt es in jedem Fall im Auge zu behalten.
... Studium der Handelswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität in Wien, CEFA (Certified European Financial Analyst) Diplom. Seit 1990 bei der Gutmann Gruppe. Tätigkeitsprofil: Partner der Bank Gutmann AG, Mitglied des Vorstandes der Bank Gutmann AG, Mitglied des Management-Komitees der Gutmann Gruppe, Mitglied des Aufsichtsrates der Global Private Equity AG, Chief Investment Office.Die 1922 gegründete Bank Gutmann AG verwaltet ein Vermögen von fast elf Milliarden Euro. Zu den Gutmann Kunden zählen in- und ausländische Stiftungen, Familien, vermögende Privatkunden und institutionelle Investoren. Die Bank wurde in den vergangenen Jahren mehrfach als beste Privatbank Österreichs und führende Bank im deutschen Sprachraum und CEE ausgezeichnet.