Sollten die Karlsruher Richter das tatsächlich bejahen, hat das zwar direkt keine Folgen für die EZB. Das Bundesverfassungsgericht kann der Zentralbank in Frankfurt keine Vorgaben machen. Liegt aber ein fortgesetzter Bruch der Europäischen Verträge vor, wird das Gericht Bundestag und Regierung auffordern ihre Kontrollfunktionen wahrzunehmen – in letzter Konsequenz könnte dies zu einem juristisch erzwungenen Austritt aus der Währungsunion führen. Es ist nicht anzunehmen, dass das Bundesverfassungsgericht soweit geht – die Folgen für die deutsche Volkswirtschaft wären katastrophal. Doch allein die Diskussion ist unbequem. Themen wie eine geordnete Staatsinsolvenz oder eine stärkere Beteiligung aller Gläubiger im Fall drohender Bankpleiten dürften für Unruhe sorgen.
Draghi verteidigt erneut Anleihekäufe
EZB-Chef Mario Draghi wird nicht zur Verhandlung nach Karlsruhe reisen. Das hat dem Italiener bereits mächtig Kritik in Deutschland eingebracht. Unterdessen hat Draghi die Rolle der EZB als „Retter in letzter Not“ verteidigt. Die bisherigen Anleihekäufe seien notwendig gewesen, um den Finanzsektor zu stabilisieren. Das gelte auch für das sogenannte OMT-Programm. Die Outright Market Tansactions ermöglichen Staatsanleihekäufe in unbegrenzter Höhe. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass das betroffene Krisenland offiziell Hilfe beim Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) beantragt hat.
Bislang musste die EZB noch nicht zu dieser umstrittenen Waffe greifen. Seit Draghi das Programm im vergangenen Spätsommer 2012 angekündigt hat, hat sich die Lage an den Finanzmärkten deutlich beruhigt, obwohl insbesondere die konjunkturelle Erholung in der Eurozone weiter auf sich warten lässt. Doch das Wort Draghis und seiner Kollegen im EZB-Rat, im Notfall einzugreifen, reicht den Akteuren an den Finanzmärkten bislang aus. Sie erwarten auf absehbare Zeit eine lockere Geldpolitik, die das Zinsniveau in Europa niedrig halten wird – auch am langen Ende.