Warum musste sich das Bundesverfassungsgericht mit dem ESM befassen?
Weil die Antragsteller der Ansicht waren, dass der völkerrechtliche Vertrag zum Europäischen Rettungsmechanismus ESM das Demokratieprinzip (Artikel 20 Absatz 2 Grundgesetz: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“) und die sich daraus ergebende verfassungsrechtlich verankerte haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages verletzt.
Warum ist das Demokratieprinzip nicht verletzt?
Zwar gestalte der Rettungsschirm ESM die bisherige Wirtschafts- und Währungsunion insoweit um, als es sich vom Prinzip der Eigenständigkeit der nationalen Haushalte löse. Die „stabilitätsgerichtete Ausrichtung“ der Währungsunion werde dadurch jedoch nicht aufgegeben, so das Gericht. Denn unangetastet geblieben seien die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, die Pflicht der Mitgliedsstaaten zur Haushaltsdisziplin und die Eigenverantwortlichkeit der nationalen Haushalte.
Welche finanziellen Grenzen hat Karlsruhe gesetzt?
Der
ESM-Vertrag darf nur so ausgelegt werden, dass die Haftung Deutschlands nur mit Zustimmung des Bundestages über das genehmigte Stammkapital von rund 190 Milliarden Euro hinausreicht. Zum Vergleich: Der diese Woche vorgestellte Entwurf des Bundeshaushalts 2013 sieht Einnahmen von 259,8 Milliarden Euro vor. Die 190-Milliarden-Obergrenze, so das Gericht, schließe sämtliche Kapitalabrufe ein. Also auch solche, die bei Zahlungsausfalls eines anderen Mitgliedsstaates des ESM-Rettungsschirms auf Deutschland zukommen könnten. Das Gericht hat der Bundesregierung aufgetragen, bei der bald bevorstehenden Ratifizierung des ESM-Vertrages sicherzustellen, dass Deutschland nur dann an den Vertrag gebunden werden kann, sofern der Bundestag einer über die 190-Milliarden-Euro-Grenze hinausreichenden Zahlungsverpflichtung vorher zugestimmt hat.
Ist das finanzielle Risiko für Deutschland zu hoch?
Nein, die Höhe der „Gewährleistungen“ von 190 Milliarden Euro überschreite die „haushaltswirtschaftliche Belastungsgrenze nicht derart, dass die Haushaltsautonomie ins Leere liefe“. Mit Teilnahme am ESM würden laut Gesetzgeber „noch überschaubare Risiken eingegangen“, während ohne ESM-Beteiligung Deutschlands schwere Konsequenzen für das gesamte Wirtschafts- und Sozialsystem drohten – damit sei der Einschätzungsspielraum des Bundestages nicht überschritten und so vom Verfassungsgericht „hinzunehmen“ - was doch eher distanziert klingt.
Was hat das Gericht zur Schweigepflicht der ESM-Mitarbeiter gesagt?
Schweigepflicht gegenüber Beteiligten am Kapitalmarkt: ja, Schweigepflicht gegenüber den Parlamenten der Mitgliedsstaaten: nein. Denn nur so könne der Bundestag seine Kontrollrechte ausüben. Die umfassende Information von Bundestag und Bundesrat sei im Ratifizierungsverfahren sicherzustellen, so das Bundesverfassungsgericht.
Hat das Gericht auf die von der EZB angekündigten „unbegrenzten Anleihekäufe“ reagiert?
Nein, der Ankauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt durch die Europäische Zentralbank war nicht Gegenstand der Entscheidung. Diese Frage werde gesondert im Hauptsacheverfahren geprüft.
Was hat das Gericht zum „Fiskalpakt“ gesagt?
Auch hier, beim zu beurteilenden Zustimmungsgesetz zum sogenannten Fiskalvertrag (SKSV), sah Karlsruhe keine Verletzung des Haushaltsrechts des Bundestages.