Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) startet im Auftrag des Bundesministeriums für Soziales und Konsumentenschutz (BMSK) eine Sammelaktion von Beschwerden über angeblich fehlerhafte oder unvollständige Beratung bei der Vermittlung von Immofinanzaktien durch Berater des AWD. Die bevorstehenden Sammelklagen des VKI für Geschädigte des Finanzberaters AWD in Sachen Immofinanz und Immoeast könnten das größte Zivilverfahren der Zweiten Republik in Österreich werden.
Peter Kolba (Foto), Chef der Rechtsabteilung des VKI, schätzt, dass es um 4.500 Betroffene mit einem Gesamtschaden von 45 Millionen Euro geht. Im bisher größten Zivilverfahren in Österreich, dem WEB-Prozess in Salzburg, hatte der VKI für 3.200 Kleinanleger geklagt. Die aktuellen Beschwerden von möglichen Geschädigten über den AWD können kostenlos unter www.verbraucherrecht.at angemeldet werden.
In der Fernsehsendung "Bürgerforum" des Österreichischen Rundfunks ORF haben Betroffene schwere Vorwürfe gegen die jeweiligen Berater von AWD erhoben. Diese hätten ihre Kunden nicht oder unzureichend über das Risiko von Aktien aufgeklärt. Stattdessen habe man mit "mündelsicheren" Aktien und nicht auf eine Risikostreuung beim Investment geachtet. AWD hat dem widersprochen.
Aktienwert bei einem Euro
Seit Frühjahr 2007 ist der Wert der Immofinanz-Aktien stetig gefallen und befindet sich nunmehr auf einem historischen Tiefstwert von rund einem Euro. Gerade die Entwicklung der letzten Monate und Medienberichte haben viele Anleger aufgeschreckt. Auch beim VKI gingen zahlreiche Beschwerden ein: Immofinanz-Aktien seien - so die Beschwerden - unter Verharmlosung der Risiken vermittelt worden.
Anlageberater haften ihren Kunden für eine anlage- und anlegergerechte Beratung. Nicht nur die Vorteile, insbesondere auch die Risiken von Anlageprodukten sind deutlich darzustellen. Zudem sei auf die persönliche Situation der Beratenen und deren Erfahrung mit Anlagegeschäften einzugehen.
Falschberatung muss bewiesen werden
Allerdings muss der Kläger die Falschberatung beweisen. Das ist umso schwerer, wenn etwa Beratungsprotokolle - ungelesen - unterzeichnet worden sind. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich der Ablauf von Beratungen durch AWD-Mitarbeiter im Lichte der Beschwerden darstellt.
Der VKI wurde vom BMSK beauftragt, die Beschwerden zu sammeln und gegebenenfalls Schadenersatzansprüche zu prüfen. Ziel ist die Vermittlung einer außergerichtlichen Lösung. Scheitert diese, so sollen auch Möglichkeiten der gerichtlichen Rechtsdurchsetzung geprüft werden.
Personen, die sich durch mangelhafte Beratung anlässlich der Vermittlung von Immofinanz-Aktien durch AWD-Berater geschädigt fühlen, können sich über ein Online-Formular bei www.verbraucherrecht.at beim VKI melden.
Schadenersatzansprüche bis zu drei Jahre
Wichtig: Schadenersatzansprüche aus falscher Anlageberatung verjähren binnen drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger. Diese Frist beginnt spätestens dann, wenn man erkennen kann, dass das vermittelte Produkt nicht den Anpreisungen entspricht
bzw. dessen Risiken sichtbar werden.
"Wir werden nun rasch die Beschwerden sammeln und sichten. Dabei hoffen wir, dass keine Klagen notwendig sind, um tatsächlich geschädigten Kunden Schadenersatz zu verschaffen", gibt sich Peter Kolba optimistisch. Finanziert wird die Sammelklage, die beim Wiener Handelsgericht eingebracht werden soll, vom deutschen Prozesskostenfinanzierer Foris, so der VKI.