Biallo.at: Jeder Mensch muss sterben. Das wissen alle. Doch nicht alle denken daran, ihren Nachlass überlegt zu regeln. Gibt es Einschätzungen, wie viele Menschen rechtzeitig ein Testament errichten?
Katharina Müller: Schätzungen gehen davon aus, dass in 50 Prozent der Fälle die Erblasser versterben, ohne ein Testament hinterlassen zu haben. Jeder Zweite stirbt daher ohne die Nachfolge in sein Vermögen geregelt zu haben. Die Folge sind – wie die Praxis zeigt – oft langwierige Streitigkeiten zwischen den (gesetzlichen) Erben, Zerschlagungen von Unternehmen etc. Dabei ist es eigentlich sehr einfach, ein Testament zu verfassen.
Biallo.at: Was sind die Kernüberlegungen für die Errichtung eines Testaments?
Müller: Zunächst stellt sich natürlich die Frage nach der Motivation: Was will ich mit dem Testament erreichen? Soll mein Vermögen soweit als möglich in der Familie bleiben? Soll das Unternehmen, das ich aufgebaut habe, auf ein bestimmtes Kind übergehen, das sich dafür am meisten interessiert? Wie ist der Ehegatte im Alter abgesichert?
Ist sich der Erblasser erst einmal im Klaren, was er will, kann überlegt werden, wie der Wille des Erblassers am besten umzusetzen ist. Dabei stellen sich insbesondere folgende Fragen: Wer soll welche Vermögensgegenstände erhalten? Ist die Anordnung einer Nacherbschaft sinnvoll? Wie wird das Pflichtteilsrecht der Noterben abgegolten? Habe ich zur Abgeltung des Pflichtteilrechts genug liquides Vermögen?
Die Formulierung des Testaments sollte daher – insbesondere bei größeren Vermögen – am Ende eines Überlegungsprozesses unter Anleitung eines Rechtsanwalts stehen. Dieser Prozess erstreckt sich normalerweise über einen größeren Zeitraum (mitunter auch über mehrere Monate). Zweckmäßigerweise sollten sich auch die potentiellen Erben daran beteiligen.
Biallo.at: Der Computer ist ein zur Selbstverständlichkeit gewordenes Instrument geworden – reicht es da, eine letztwillige Verfügung per Computer zu verfassen, auszudrucken und unterschrieben zu hinterlassen?
Müller: Für letztwillige Verfügungen bestehen Formvorschriften, die sicherstellen sollen, dass sich der Erblasser der Bedeutung seiner Erklärung bewusst ist und sein Wille auch nach seinem Tod möglichst eindeutig beweisbar ist.
Der Erblasser hat mehrere Möglichkeiten, eine formgültige letztwillige Verfügung zu treffen: Er kann ein Gericht oder einen Notar aufsuchen und ein öffentliches Testament errichten. Weitaus häufiger werden aber private Testamente errichtet. Hierfür stehen dem Erblasser im Wesentlichen zwei Möglichkeiten offen: Er kann den gesamten Text seines Testaments eigenhändig verfassen und diesen eigenhändig unterschreiben. Bedient sich der Erblasser hingegen eines technischen Hilfsmittels zur Abfassung seines letzten Willens (Computer, Schreibmaschine) oder lässt er den Text von jemand anderem schreiben („fremdhändiges Testament“), sind zusätzliche Formerfordernisse zu erfüllen. Das fremdhändige Testament lässt nicht das individuelle Schriftbild des Erblassers erkennen und ist daher einer Verfälschung leichter zugänglich. Daher sind drei Zeugen beizuziehen, denen der Erblasser bewusst machen muss, dass sie Zeugen seines letzten Willens sind; der Inhalt der Verfügung muss ihnen aber nicht bekannt sein. Es reicht daher etwa aus, wenn der Erblasser bei (eigenhändiger!) Unterzeichnung seines letzten Willens ausdrücklich, laut und deutlich erklärt: „Das ist mein letzter Wille!“ Die drei Zeugen haben das Testament unter Hinweis auf ihre Zeugeneigenschaft ebenfalls zu unterzeichnen.
Nicht jede Person ist allerdings als Zeuge geeignet: Als Zeugen kommen nur Personen über 18 Jahre in Frage, die geistig und körperlich in der Lage sind, den letzten Willen zu bezeugen und die Sprache des Erblassers zu verstehen. Weiters sind „befangene“ Personen von der Zeugenschaft ausgeschlossen. Weder ein im Testament Bedachter, noch dessen Ehegatte, Eltern, Kinder, Geschwister oder Halbgeschwister können Testamentszeugen werden. Selbst verschwägerte Personen sind ausgeschlossen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes können auch Hausangestellte des Bedachten, die im selben Haushalt leben, das Testament nicht bezeugen.
Biallo.at: In Zusammenhang mit dem Pflichtteil kommt es in Familien in Erbangelegenheiten immer wieder zu Konflikten. Was muss ein Erblasser hier unbedingt beachten?
Müller: Das Pflichtteilsrecht ist zwingendes Recht. Bestimmte Angehörige müssen einen bestimmten Mindestanteil am Wert des Nachlasses erhalten. Mit anderen Worten: Die gesetzlichen Erben können – von wenigen im Gesetz genau definierten Ausnahmefällen abgesehen – nicht enterbt werden.
Das Pflichtteilsrecht muss vom Erblasser unbedingt berücksichtigt werden. Es besteht ansonsten die Gefahr, dass sich die Erben mit Pflichtteilsansprüchen konfrontiert sehen, die sie nicht befriedigen können, ohne die vom Erblasser vorgesehene Vermögensaufteilung umzustoßen. Die Pflichtteilsansprüche sind grundsätzlich in Geld zu befriedigen und sofort fällig. Dies kann beispielsweise dazu führen, dass die Erben aufgrund des kurzfristigen Liquiditätsbedarfs gezwungen sind, das Familienunternehmen, das nach Wunsch des Erblassers in der Familie bleiben sollte, zu verkaufen.
Zwar wurde das Problem erkannt und es werden derzeit Reformen diskutiert. So soll etwa der Pflichtteilsanspruch erst ein Jahr nach dem Tod des Erblassers fällig werden; auch soll dann die Möglichkeit der Stundung oder Ratenzahlung bestehen. Solange die Reformbemühungen aber noch nicht zu einem Ergebnis führen und einen Niederschlag im Gesetz finden, sollte der Erblasser hinsichtlich der Pflichtteilsansprüche Vorsorge treffen.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es nach österreichischem Recht nicht (oder nur begrenzt) möglich ist, durch Schenkungen des Erblassers vor seinem Tod Pflichtteilsansprüche zu vereiteln. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) normiert nämlich die Anrechnung der Schenkungen. Dabei sind gewissen Schenkungen des Erblassers dem vorhandenen tatsächlichen Nachlass hinzuzurechnen. Zu berücksichtigen sind Schenkungen an andere Pflichtteilsberechtigte (ohne zeitliche Beschränkung), aber auch Schenkungen an Dritte, die innerhalb der letzten zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers erfolgten. Der Pflichtteil des Noterben ist dann aus dem noch vorhandenen Nachlass zuzüglich des rechnerischen Werts der Schenkungen zu ermitteln.
Biallo.at: Eltern wollen ihren Kindern oft schon zu Lebzeiten Vermögen zuwenden und lassen im Gegenzug die Kinder einen Verzicht auf einen Pflichtteil unterschreiben und bedenken sie dann nicht mehr in ein Testament. Können Kinder dann dennoch einen Pflichtteil beanspruchen?
Müller: Das Recht auf den Pflichtteil ist verzichtbar. Ein Pflichtteilsverzicht ist – trotz der insofern missverständlichen Bezeichnung „Verzicht“ – ein Vertrag, der zwischen dem zukünftigen Erblasser und einem potentiellen Pflichtteilsberechtigen geschlossen wird. Häufig wird ein Pflichtteilsverzicht abgeschlossen, wenn der Erblasser dem Berechtigten schon vorweg etwas zuwenden möchte.
Der Pflichtteilsverzicht kann nicht formfrei abgegeben werden: Er bedarf des Notariatsaktes oder des gerichtlichen Protokolls. Die strenge Formvorschrift hat Warnfunktion. Der Verzichtende soll sich der Reichweite seines Verzichts im Klaren sein. Die Folge eines gültigen Pflichtteilsverzichts ist, dass das Entstehen des Pflichtteilsanspruchs im Zeitpunkt des Erbanfalls verhindert wird.
Zu beachten ist weiters, dass ein minderjähriger Pflichtteilsberechtigter alleine keinen gültigen Verzicht abgeben kann. Zur Gültigkeit eines Pflichtteilsverzichts eines minderjährigen Pflichtteilsberechtigten bedarf es nicht nur der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters, sondern auch der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung.
Insgesamt zeigt sich daher, dass eine einseitige Erklärung nicht ausreicht; es ist ein Vertrag zwischen Erblasser und Verzichtenden erforderlich, der der Form des Notariatsaktes oder der gerichtlichen Protokollierung bedarf.
Biallo.at: Für den Fall, dass ein Erblasser mit Kindern nach seiner Scheidung eine Lebensgefährtin hat und verstirbt, ohne eine letztwillige Verfügung getroffen zu haben. Hat dann die Lebensgefährtin erbrechtliche Ansprüche?
Müller: Hat der Erblasser kein Testament verfasst, tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Nach der gesetzlichen Erbfolge wird der Nachlass den näheren Verwandten und dem Ehegatten zugewendet.
Der Lebensgefährte hat hingegen nach wie vor kein gesetzliches Erbrecht. Soll der Lebensgefährte am Vermögen des Erblassers partizipieren, muss ihn der Erblasser letztwillig bedenken. Ohne gültige letztwillige Verfügung geht der Lebenspartner im Erbfall leer aus.
Biallo.at: Falls ein Erblasser bei einer Familienfeier seinen Gästen plötzlich scherzhaft erklärt, seinem faulen Sohn sein ganzes Vermögen zu vermachen, weil dessen Faulheit auch eine Leistung sei, und diese Erklärung zusätzlich auf einer Papierserviette samt Unterschrift verewigt - gilt das als wirksame letztwillige Verfügung?
Müller: Grundsätzlich stellt die eigenhändige Niederschrift des letzten Willens unter Beisetzung der eigenhändigen Unterschrift ein formgültiges eigenhändiges Testament dar, unabhängig davon, welchen Materials sich der Erblasser dafür bedient. Ein Testament auf einer Papierserviette, einem Bierdeckel oder gar an der Wand oder auf einem Stück Holz ist ebenso gültig, wie die Niederschrift auf förmlichem Briefpapier.
Allerdings setzt ein gültiges Testament voraus, dass der Erblasser seine Verfügung mit Rechtsfolgewillen („Testtierabsicht“, „animus testandi“) trifft. Der Erblasser muss daher im Bewusstsein, eine letztwillige Verfügung zu errichten, handeln. Wer aus einer Urkunde des Erblassers ein Erbrecht behauptet, muss nachweisen, dass der Urkunde die Eigenschaft einer letztwilligen Verfügung zukommt.
Darüber hinaus muss der Erblasser bei der Erklärung seines Willens testierfähig, das heisst über 18 Jahre (unter Umständen: über 14 Jahre) und im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten sein. Auch eine kurzzeitige, schwere Beeinträchtigung der Erkenntnis- und Willenstätigkeit – etwa unter Alkoholeinfluss – kann die Testierfähigkeit ausschließen.
Im dargestellten Fall läge zwar ein formgültiges Testament vor, dem aber kein Testierwille des Erblassers zugrunde liegt. Der Erblasser hat daher keine gültige letztwillige Verfügung getroffen; im Fall seines Ablebens greift die gesetzliche Erbfolge.
DDr. Katharina Müller, promovierte Juristin und Handelswissenschafterin, war zunächst Universitätsassistentin an der Wirtschaftsuniversität Wien und ist seit 1999 als Rechtsanwältin in Wien tätig. Als Partnerin der Kanzlei Willheim Müller Rechtsanwälte, einer national und international tätigen Wirtschaftsanwaltskanzlei, berät sie bei der Gestaltung, Verwertung, Erhaltung, Weitergabe und Aufteilung privaten Vermögens. Ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt im Stiftungsrecht. Katharina Müller hält auch regelmäßig Vorträge zu diesen Themen. Sie ist auch Herausgeberin des Journals für Erbrecht und Vermögensweitergabe sowie des 2010 im Springer Verlag erschienenen Handbuchs „Erbrecht und Vermögensnachfolge“.