Mal ehrlich: Wer von Ihnen hat 500.000 Euro am Spar- oder Girokonto liegen? Vermutlich die Wenigsten. So gesehen ist die Unruhe, die sich gerade in Deutschland und Österreich breitmacht, für viele nicht nachvollziehbar. Oder doch?
Zahlen fürs Geld am Konto? Seit 1. November gibt es dies bei einer Bank in Deutschland. Die Skatbank aus Thüringen verlangt von ihren Kunden, die mehr 500.000 Euro am Spar- oder Girokonto flüssig halten wollen, Strafzinsen – immerhin in Höhe von 0,25 Prozent. Und das sorgt für relative Unruhe bei den Nachbarn.
Sparkassen und Genossenschaftsbanken versuchen da erst mal zu beruhigen. Der intensive Wettbewerb lasse es in Deutschland nicht zu, dass Kunden flächendeckend Zinsen bezahlen müssen, wenn sie ihr Geld liquide bei einer Bank anlegen, so ist zu vernehmen.
Ähnliche Aussagen kommen auch vom Generalsekretär des Sparkassenverbandes in Österreich, Michael Ikrath: „Sparen ist ein wesentlicher Teil unseres Wirtschaftssystems und die Basis für die Kreditvergabe an Unternehmen. Diese Funktion darf nicht durch Strafzinsen zerstört werden“, so Ikrath. „Wir Sparkassen sehen uns als Partner der Bevölkerung in Finanzfragen. Daher wird es bei uns keine Strafzinsen geben, weder für kleine, noch für große Summen. Jeder Sparer ist bei uns willkommen“, so Ikrath weiter.
Keine Strafzinsen für Privatanleger: Wirklich?
Beim Branchenprimus aus Deutschland, der Deutschen Bank, sieht man aber die Sache offenbar nicht ganz so. Strafzinsen für Privatanleger – „das dürfte angesichts der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank bald keine Seltenheit mehr sein“, so zitiert jedenfalls die Zeitung Welt am Sonntag den Chefanlagestrategen der Deutschen Asset & Wealth Management, Asoka Wöhrmann.
Strafzinsen: Die EZB macht es vor
Mit verursacht hat diese Entwicklung die Europäische Zentralbank (EZB). Seit Juni verlangen die Notenbanker einen negativen Einlagenzins. Geschäftsbanken, die ihr Geld bei der EZB parken, statt das an Unternehmen und Privatkunden zu verleihen, müssen inzwischen selbst 0,2 Prozent Zinsen bezahlen: Das ist Teil der Ultra-lockeren Geldpolitik der EZB sowie der Versuch, die lahme Konjunktur in Europa anzutreiben - und der geringen Inflation zu begegnen.
Bisher hat diese EZB-Politik aber keinen Erfolg. Leitzinssenkungen, Liquiditätsspritzen für Banken und "drohender" Ankauf von Kreditanleihen und Pfandbriefen haben das Schlimmste vielleicht vorerst verhindert: Doch fein raus ist die Wirtschaft in der Eurozone damit noch lange nicht. Während die vermeintlichen Krisenstaaten Portugal, Spanien und Irland Reformerfolge feiern, sieht es bei einigen großen Playern in Europa immer düsterer aus: allen voran Frankreich und Italien, die gerade in die Rezession abgleiten. Und auch beim Stabilitätsanker Deutschland läuft die Konjunktur derzeit alles andere als rund.
Kritik an dieser EZB-Politik kommt indes auch seitens des Österreichischen Sparkassenverbandes: Die jetzige Diskussion zeige eindeutig, dass sich die EZB mit ihrer Niedrigzinspolitik von der Realwirtschaft entfernt habe und sich immer stärker am angelsächsischen Modell der Wirtschaftsfinanzierung über den Kapitalmarkt orientiert. Dieses System passe aber nicht mit der europäischen Wirtschaftsstruktur von Klein- und Mittelbetrieben zusammen.
EZB-Sitzung am Donnerstag: Was macht Mario Draghi?
Am Donnerstag tagt wieder der EZB-Rat. Überraschendes wird der EZB-Präsident Mario Draghi wohl nicht verkünden. Die Währungshüter werden darauf verweisen, dass sie zunächst die Wirkung der jüngsten Maßnahmen abwarten wollen. Tatsächlich aber würde Draghi wohl lieber heute als morgen mit dem Ankauf von Staatsanleihen beginnen. In den USA und Großbritannien hat die Lockerung der Geldpolitik der Konjunktur die entscheidenden Impulse gegeben. In Euroland ist der politisch Widerstand gegen die aus Sicht der Kritiker verbotene Staatsfinanzierung durch die EZB so groß, dass wohl nur eine schwere Krise diesen Schritt erzwingen könnte.
Historisch niedrige Zinsen bleiben - vorerst
Sicher ist aber: An den historisch niedrigen Zinsen in Österreich und Deutschland wird sich in diesem und im kommenden Jahr sicher kaum etwas ändern. Für Konsumenten, die eine Finanzierung von Haus oder Wohnung planen, ein gutes Zeichen. Für Sparer hingegen heißt es weiter abwarten - und hoffen, dass Strafzinsen nicht auch in Österreich von einer Bank ausgelobt werden.