Durch Steuerflucht und Steuervermeidung entgehen den EU-Staaten bei der Mehrwertsteuer jährlich Einnahmen in Höhe von 168 Milliarden Euro - rund die Hälfte der griechischen Staatsschulden.
Mehrwertsteuerbetrug kennt dabei viele Formen. Die verbreitetste ist wohl die Schwarzarbeit, daneben gibt es aber auch direkten Betrug - zum Beispiel absichtlich falsche Anträge auf Steuerrückerstattung bzw. Vorsteuerabzug zu stellen. Eine besondere Form ist dabei der Karusselbetrug. Hier wirken mehrere Unternehmen in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten zusammen, wobei ein Händler der Lieferkette die von seinen Abnehmern bezahlte Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abführt.
So wird der Karussellbetrug organisiert
Ein Beispiel: Eine in einem EU-Staat beheimatete Firma A verkauft Waren im Wert von einer Million Euro an das Unternehmen B in einem zweiten EU-Staat. B verkauft nun weiter an C und stellt zuzüglich der 20-prozentigen Mehrwertsteuer 1,2 Millionen Euro in Rechnung. Die in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer in Höhe von 200.000 Euro müsste B innerhalb einer bestimmten Frist an sein Finanzamt abführen. Hingegen bekommt C die Mehrwertsteuer in seinem Land als Vorsteuer rückerstattet. Innerhalb der ihm auferlegten Frist verschwindet nun B (Liquidation oder Insolvenz), der Staat von B erhielt die 200.000 Euro Umsatzsteuer nicht. C verkauft unterdessen die Ware zurück an die Firma A, und das Spiel kann von Neuem beginnen. Dieses rotierende Transaktionsprinzip hat zu dem Namen Karussellbetrug geführt.
Um den Kampf gegen diesen Mehrwertsteuerbetrug weiter zu verstärken, wurde im Zuge des Steuerrenoformgesetzes 2015/16 ein eigener Passus in das Umsatzsteuergesetz aufgenommen. Demnach entfällt der Vorsteuerabzug, wenn der Unternehmer wusste oder wissen musste, dass der betreffende Umsatz im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehung steht. Dies gilt insbesondere auch, wenn ein solches Finanzvergehen einen vor- oder nachgelagerten Umsatz betrifft.
Diese Bestimmungen haben freilich lediglich klarstellenden Charakter und galten inhaltlich bereits vor Inkrafttreten des Steuerrenoformgesetzes, da der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung bereits ausgeführt hat, dass das Recht auf Vorsteuerabzug zu versagen ist, wenn dieses Recht in betrügerischer Weise geltend gemacht wird.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Unternehmer selbst eine Steuerhinterziehung begeht, es reicht bereits, dass er wusste oder wissen hätte müssen, dass ein Händler in der Lieferkette den Mehrwertsteuerbetrug begeht. Denn in einer solchen Situation gehe der Unternehmen den Urhebern der Hinterziehung zu Hand und macht sich ihrer mitschuldig.