Biallo.at: Was sollten die Politiker in Österreich bzw. in der Europäischen Union oder auf der Ebene der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer tun, um Auswüchse des Finanzsystem zu verhindern?
Pichler: Die Forderungen von AK und ÖGB und allen anderen vernünftigen Kräften liegen auf dem Tisch: Regulierung des Finanzmarktes, Transaktionssteuer, keine Macht den Ratingagenturen, Verbot von Spekulation auf Rohstoffe, Nahrung und Währungen, ein gerechtes Steuersystem generell und und und. Bis jetzt hört man zwar gelegentlich solche Stimmen auch bei G-20 Ländern, aber es bleibt bei Lippenbekenntnissen. Die Politik hat den Markt zu regulieren und ihm Regeln aufzuerlegen. Nur den Mut dazu kann ich nirgendwo orten.
Biallo.at: Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit Banken oder anderen Finanzdienstleistern?
Pichler: Es gibt natürlich gute und seriöse Banken, die vor allem in der Realwirtschaft aktiv oder auch regional verwurzelt sind. Ich will nicht alle über einen Kamm scheren. Wo es aber auf alle Fälle aufhört ist, wenn sogenannte Spielbanken, die Geld im großem Stil veranlagen und damit Zocken, auch noch vom Staat gerettet werden.
Biallo.at: Wird es der EU-Politik gelingen, die Finanzlobby wie andere Bereiche der Wirtschaft einer parlamentarischen Kontrolle zu unterziehen oder wird die Finanzlobby auch in der Europäischen Union mächtiger als Politiker bleiben?
Pichler: Es muss ihr gelingen. Sonst werden jene Politiker, die nicht die Menschen sondern die Mächtigen vertreten, irgendwann einmal mit nassen Fetzen davon gejagt werden. Aber es ist ein steiniger Weg und offenbar muss der Druck auf die EU und generell die Politik noch größer werden, damit es hier ein Umdenken gibt. Solange die Politik ihre Maßnahmen an den Spielregeln des Marktes orientiert, werden wir das Problem jedenfalls nie lösen.
Biallo.at: Was halten Sie von neuen Bewegungen, die gegen die Macht der Banken und Finanzdienstleister demonstrieren, wie etwa "Occupy Wall Street"?
Pichler: Es ist schön, wenn solche neuen sozialen Bewegungen, die sehr stark über das Internet kommunizieren und sich formieren, unsere langjährigen Forderungen nach einer gerechteren und sozialen Welt aufgreifen. Wenn ich sehe, wie viele junge Menschen sich jetzt engagieren, weil es ihnen einfach reicht. Nur, friedlich müssen diese Proteste bleiben!