Die Europäische Zentralbank (EZB) zahlt seit Mitte Juli für Einlagen von Geldinstituten keine Zinsen mehr. Das Ziel: Die Kreditvergabe ankurbeln. Viele Experten aber haben Zweifel an dieser Maßnahme.
Die Währungshüter haben Anfang Juli den Leitzins auf ein Rekordtief von 0,75 Prozent gesenkt. Den Einlagesatz verringerten sie gar von 0,25 Prozentpunkte auf null. Diesen Zinssatz erhalten Banken bei der Notenbank für alle Einlagen oberhalb der Mindestreserve – ein Puffer, den die Geldhäuser bei der EZB hinterlegen müssen. Zum Leitzins können sich diese derzeit bei der EZB Woche für Woche unbegrenzt Liquidität für bis zu drei Monate leihen. Hintergrund: Banken aus dem Norden des Euro-Raums leihen vielen Häusern aus Krisenländern wie Spanien oder Portugal keine kurzfristigen Mittel mehr.
Ökonomen zweifeln am Niedrigzins
Der Beschluss der Europäischen Zentralbank (EZB), den Kreditinstituten keine Zinsen mehr zu zahlen, kommt bei Chefvolkswirten und EZB-Beobachtern in europäischen Finanzhäusern nicht gut an. Das ist das Ergebnis der monatlichen "FTD"-Zinsumfrage zur Geldpolitik der EZB. Dabei antworteten 19 von 31 Ökonomen auf eine entsprechende Zusatzfrage.
Drei Viertel sind demnach der Meinung, die Senkung des Einlagezinses auf null Prozent habe wenig dazu beigetragen, dass die Banken sich untereinander wieder Geld leihen oder dass sie mehr Darlehen an Unternehmen oder Haushalte vergeben. Für die Sitzung des EZB-Rats am Donnerstag rechnen die Ökonomen in der Mehrheit damit, dass der Leitzins bei 0,75 Prozent bleibt. Eine Senkung auf 0,5 Prozent bis spätestens Oktober erwartet gut die Hälfte der Volkswirte.
Kredite werden billiger
Für Privathaushalte und Unternehmen ist der Einlagezins für Banken bei der EZB dagegen eine entscheidende Größe – vor allem dann, wenn sie Darlehen mit variablen Zinsen abgeschlossen haben. Ihre Kreditkosten richten sich nach den Geldmarktsätzen, die sich wiederum in Zeiten der EZB-Vollzuteilung an die Banken am Einlagezins ausrichten. Viele Unternehmen und Verbraucher profitieren in Folge dessen davon, dass die Währungshüter den Banken seit Mitte Juli keine Zinsen mehr auf überschüssige Einlagen zahlen, weil daraufhin ihre Kreditkosten zurückgegangen sind.
Banken bei Kreditvergabe weiter knausrig
Dennoch zeichnet sich eines ab: Das Kreditgeschäft der Banken hat durch die Maßnahmen der EZB keinen neuen Schwung bekommen. Den Banken fehlt nach wie vor Eigenkapital, dieses Problem kann auch nicht durch Zinssenkungen gelöst werden. Und: Die Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe dürfte auch durch eine weitere Senkung des Einlagensatzes sogar in den negativen Bereich nicht belebt werden.