Die USA drücken derzeit auch das europäische Zinsniveau nach oben, sagt Dr. Martin Hüfner, volkswirtschaftlicher Berater des Online-Brokers direktanlage.at.
Die US-Notenbank will die Phase des ultraleichten Geldes aufgrund der verbesserten Konjunktur auslaufen lassen. Die - als Reaktion auf diese Ankündigung - steigenden Renditen in den USA wirken sich auch auf die europäischen Zinsen aus. Wie sollten Anleger und Sparer jetzt reagieren?
Biallo.at: Herr Dr. Hüfner, welche Szenarien sehen Sie für die künftige Zinsentwicklung?
Martin Hüfner: In den USA sind die Zinsen der Staatsanleihen in den letzten Wochen und Monaten deutlich gestiegen, vielleicht sogar etwas zu stark. Der Sprung bei den US-Zinsen nach oben wurde im Kern dadurch verursacht, dass die Federal Reserve im Mai angekündigt hat, das Aufkaufprogramm für Anleihen - Stichwort „Quantitative Easing“ - auslaufen zu lassen. Bisher nahm die Fed jeden Monat Staatsanleihen und andere festverzinsliche Wertpapiere im Wert von 85 Milliarden Dollar in ihre Bücher. Es wird damit gerechnet, dass die Fed ab Oktober ihre Ankäufe über Monate hinweg langsam auf null reduziert. Als weitere Faktoren für die höheren Renditen sehe ich die verbesserte US-Konjunktur und den Umstand, dass die US-Zinsen vorher so niedrig waren. Es ist eine Normalisierung.
Anleger gehen wegen höherer Zinsen in US-Anleihen
Biallo.at: Wie geht es nach Ihren Analysen mit den Zinsen und der Konjunktur in Europa weiter?
Hüfner: Im Gegensatz zu den USA läuft es in Europa mit der Konjunktur nicht so gut. In der EU gibt es sicher noch für ein halbes oder ein dreiviertel Jahr keinen Grund von dem von der Europäischen Zentralbank, also der EZB, eingeschlagenen Weg der niedrigen Zinsen abzugehen.
Biallo.at: Die Entwicklung in den USA und Europa verläuft also gegengleich bzw. zeitlich versetzt?
Hüfner: Auch in Europa steigen die Zinsen. Dies geschieht aber nicht aufgrund von europäischen Faktoren, sondern als Reaktion auf den Renditeanstieg in den USA. Es ist ein reiner Marktprozess. Anleger schichten ihre Investments vom europäischen in den amerikanischen Anleihemarkt um. Wenn hier verkauft wird, sinken die Kurse, was indirekt die Renditen steigen lässt.
Konjunktur noch ein zartes Pflänzchen
Biallo.at: Welchen Verlauf zeigen die Volkswirtschaften in der EU?
Hüfner: Ausgehend von den USA verbessert sich die Wirtschaftslage auch in der EU, sowohl in Zentraleuropa mit Österreich oder Deutschland als auch in Südeuropa. Aber der Aufschwung zeichnet sich noch nicht so stark ab, dass man beruhigt sein könnte. Es gibt ein bisschen Konjunktur, aber im Wesentlichen holen wir jetzt nur das schwächere erste Halbjahr nach.
Biallo.at: Was können Sie als Experte im derzeitigen sicher nicht ganz leichten Zinsumfeld einem Anleger empfehlen, der der 5.000 bis 10.000 Euro investieren möchte?
Hüfner: Ich würde im Gegensatz zu anderen nicht dazu raten, das Geld in festverzinsliche Wertpapiere zu stecken, obwohl manche immer noch zum Beispiel Staatsanleihen empfehlen. Denn die Zinsen sind jetzt insgesamt gesehen, wenn man vom US-Einfluss auf das EU-Renditeniveau absieht, niedrig. Da Anfang September ist und der September generell als schwieriger Börsenmonat gilt, wäre es für einen Aktienfonds noch zu früh. Im Moment sollten Sparer ihr Geld auf ein jederzeit kündbares Sparkonto legen. Also nicht auf ein Konto mit fester Laufzeit, sondern auf eines ohne Bindung. Danach kann man überlegen, in Aktienfonds zu gehen.