Biallo.at: Notenbanken-Chefs wie Fed-Präsident Ben Bernanke, der Chef der Europäischen Zentralbank Jean-Claude Trichet oder der japanische Notenbank-Gouverneur Masaaki Shirakawa halten die Zinsen extrem niedrig. Das trifft sämtliche Zinsanlagen und damit Millionen Anleger. Ist diese Politik der niedrigen Zinsen durch die Notenbanken angesichts der besseren Wirtschaftslage überhaupt noch marktgerecht?
Werner Holzhauser: Die Politik der niedrigen Zinsen der Fed, EZB und japanischen Zentralbank ist ein Instrument zum geordneten Abbau des bestehenden Kreditvolumens in den Ländern. Eine Zinsanhebung könnte diesen geordneten Abbau gefährden und eine neuerliche Bankenkrise nach 2008 auslösen. Daher werden die Zentralbanken in absehbarer Zeit nicht von dieser Politik sowie der Politik des "quantitative easings" (= Übernahme von Krediten von Banken oder anderen Finanzierungsvehikeln, um deren Insolvenz zu vermeiden) abweichen. Außerdem rechtfertigt der momentane Inflationsausblick ebenfalls unverändert niedrige Zinsen.
Biallo.at: Wie hoch sollte der Leitzinssatz zum Beispiel der Europäischen Zentralbank EZB mit Rücksicht auf die mittlerweile sehr guten Wirtschaftsdaten derzeit sein?
Holzhauser: Die momentan sehr guten Wirtschaftsdaten kommen ursächlich durch die Entschärfung des oben beschriebenen Kreditproblems durch das vorherrschende Verhalten der Zentralbanken zustande. Eine Änderung des Verhaltens beinhaltet ein deutliches Risiko einer scharfen Rezession, welches die Regierungen und die Zentralbanken nicht eingehen wollen. Daher sollte der Leitzinssatz der EZB sich in absehbarer Zukunft nicht deutlich von den derzeitigen 1,0 Prozent entfernen.
Biallo.at: Wie lange wird es dieses Zinstief Ihrer Einschätzung nach noch geben?
Holzhauser: Die Mehrheit der Marktteilnehmer, die mit uns in Kontakt treten, gehen davon aus, dass die jetzige Situation zumindest bis Herbst 2011 andauern wird.
Biallo.at: In Österreich liegt die Verzinsung von Täglich fälligen Geldern bei den meisten Banken bereits unter der Inflationsrate von zuletzt 2,0 Prozent. Das heißt, viele Sparer erhalten real keine Verzinsung ihres Sparkapitals, sondern müssen bereits spürbare reale Verluste ihrer Spargelder verkraften. Wie trifft das all jene, die ihr Geld in Versicherungsprodukten angelegt haben, wie Lebensversicherungen, Prämienbegünstigte Zukunftsvorsorgen (PZV)?
Holzhauser: Die klassische Er- und Ablebensversicherung (KLV) erlebt derzeit einen Absatzboom. Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen orientiert sich die Rendite der Klassischen Lebensversicherung (KLV) nur zu einem geringen Teil an der Geldmarktverzinsung, zu einem wesentlich größeren Teil an der Verzinsung langlaufender (Staats)Anleihen des Euroraumes. Durch die vorherrschende steile Zinskurve sowie die hohen Aufschläge im Kreditbereich (Credit spreads) gibt es bei Anleihen noch durchaus attraktive Verzinsungen verglichen zum Geldmarkt, in die die Prämien der KLV veranlagt werden. Zum anderen ist die KLV mit Produktmerkmalen ausgestattet, welche bei keinem anderen Veranlagungsprodukt zu finden sind, wie z.B. dem sofortigen Ablebensversicherungsschutz, garantierter Rechnungszins oder die Übernahme des Langlebigkeitsrisikos durch das Versicherungsunternehmen.
Biallo.at: Wie lange können Sie den geltenden Garantiezins von 2,25 Prozent für die Versicherten noch garantieren, falls die EZB den Leitzinssatz noch längere Zeit auf 1,0 Prozent hält?
Holzhauser: Die Rendite der KLV hängt wie gesagt nur zu einem geringen Teil vom Geldmarktzins bzw. vom Leitzins der EZB ab. Das niedrige absolute Zinsniveau führt jedoch dazu, dass mit der in der Vergangenheit herrschenden Veranlagungspolitik von (Lebens-)Versicherungen, Staatsanleihen bei der Emission zu erwerben und bis zur Tilgung im Portfolio zu halten, nicht mehr die gewünschte Rendite erzielt werden kann. (Lebens-)Versicherungen sind heute aktive Kapitalmarktteilnehmer, welche in vielen Assetklassen Renditen erwirtschaften müssen. Dies muss natürlich in Verbindung mit einem zeitgemäßen Risikomanagement geschehen.