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Im Interview: Matthias Strolz, NEOS
 
20.05.2014

Im Interview: Matthias Strolz, NEOS Gold ist immer ein sicherer Hafen

Von philoro Edelmetalle, biallo.at
Neuer Goldstandard, Weltwirtschaftskrise 2008, und die Zukunft des Euro. Matthias Strolz von den NEOS im Interview.
Im Interview: Matthias Strolz, NEOS Gold ist immer ein sicherer Hafen
Matthias Strolz, Klubobmann und Vorsitzender der Partei NEOS
philoro: Was halten Sie von unserem aktuellen Wirtschaftssystem, bei dem alles auf Wachstum ausgerichtet ist?

Strolz: Ich glaube, wir brauchen ein Umdenken bezüglich Wachstum – Wachstum ist per se wichtig, auch nichts Schlechtes. Manche sagen ja, Wachstum ist schlecht, kann nicht ewig so weitergehen, das sehe ich nicht so, weil so ist das Leben. Alles Leben wächst und entwickelt sich. Die Frage ist, ob Wachstum immer heißt, dass es sich in quantitativem Wachstum ausdrückt. Wir sollten über den Wachstumsbegriff diskutieren. Ich habe auch noch nicht die potenten Antworten. Qualitatives Wachstum heißt möglicherweise auch, dass sich Strukturen ändern und dass es sich möglicherweise nicht immer nur in Zahlen ausdrücken lässt. Ich glaube, das brauchen wir schon. Eine der Lehren dieser Krise sollte sein, nicht immer nur auf quantitatives Wachstum, und noch dazu kurzfristiges, zu schielen. Das bedinet völlig falsche Anreizmechanismen und stützt damit auch fragwürdige Motivationen. Unter anderem die Gier. Die Gier ist sicherlich einer der Treiber dieser letzten Krise gewesen und wir sind ja mittendrin, wir sind ja noch nicht fertig mit der aktuellen Krise.

philoro: Viele denken bei Wachstum an Umweltverschmutzung, immer größere Industrie,...

Strolz: Absolut! Eines unserer 5 Kernwörter ist die Nachhaltigkeit. Und die ist definiert als eine Balance von ökologischen, öko-nomischen und sozialen Gesichtspunkten, das heißt, wir müssen die Ziele, die wir als Gesellschaft haben, gesellschaftlich, im Umweltbereich und im Wirtschaftsbereich, in Balance halten. Wenn ein Sektor den anderen absticht, dann werden die anderen zwei Bereiche mittel- bis langfristig auch leiden, und an dem Punkt sind wir jetzt. Das heißt, das System muss auch langfristig tragbar sein. Wir beschweren uns zwar über China, das so viel CO2 ausspuckt, nur sagen die zurecht, „Warum sollen wir nicht dürfen? Ihr habt es auch gemacht!“. Wir sehen, dass das aber nicht geht, das hält unser Planet nicht aus, das heißt, wir müssen in ein nachhaltiges Wirtschaften kommen -BLUE ECONOMY als Stichwort oder ökosoziale Marktwirtschaft. Ich glaube, es ist falsch, das Heil in einer Planwirtschaft zu suchen. Die hat auch versagt, millionenfach.

philoro:
Nachhaltigkeit ist ja ein neues Schlagwort, modern kann man sogar schon sagen.

Strolz: Absolut.

philoro: Die Weltwirtschaftskrise 2008/2009 war das Resultat von Exzessen im Immobilienbereich, von Fehlinvestitionen, spekulativen Blasen, ausgelöst durch ein Überangebot von billigem Geld, über einen langen Zeitraum hinweg. Wurden Ihrer Meinung nach diese Fehlentwicklungen schon ausgeglichen und korrigiert?
Strolz: Nein, glaub ich nicht, dass wir die Konsequenzen ausreichend gezogen haben. Wir können auch in Österreich sehr viel lernen. Zum Beispiel das Insolvenzrecht für Bundesländer einführen. Aber die Bundesregierung, vor allem die SPÖ, verweigert das. Hätte es ein Insolvenzrecht der Bundesländer gegeben, hätten wir gesagt, Achtung, wenn ihr im großen Stil Mist baut, müsst ihr auch die Verantwortung dafür übernehmen, dann hätte es eine HYPO-Alpe-Adria nicht gegeben, weil dann wären die Landtage wachsam gewesen. Wir haben also weder auf nationaler Ebene die Konsequenzen klar gezogen, noch auf internationaler Ebene. Wir müssen einfach in eine neue Verantwortungskultur kommen. Das ist die Konsequenz, wenn wir auf die Entstehungsgründe der Krise schauen, die sie beschrieben haben. Und da kann ich nicht viel hinzufügen: das war sehr treffend, wie zu viel billiges Geld, zu viele gierige Leute, zu große Blasen, zu wenig reglementierenden Rahmen. Die Frage ist nun: Was können wir tun, damit das nicht mehr passiert und wie können wir eine neue Verantwortungskultur gestalten? Auf internationaler Ebene fehlen uns hier die Antworten meines Erachtens auch noch in großem Umfang. Ich bin sehr skeptisch bei Fragen wie zum Beispiel Hochfrequenzhandel – wer braucht das? Wem nutzt das? Das sind, glaube ich, Phänomene, die nur mehr wenige Leute verstehen. Ich rede mit Leuten, die in der Aufsicht von Börsen waren und die äußern sich auch sehr kritisch. Deswegen ist NEOS für eine Finanztransaktionssteuer. Diese muss auf einer internationalen Ebene kommen. Da sind manche verwundert, warum eine wirtschaftsfreundliche liberale Partei das will. Ich glaube, vor allem müssen wir das Geschehen transparent machen. Wir stehen noch ganz am Anfang, habe ich das Gefühl, auch NEOS hat nur bedingte Antworten. Wir wollen die Bankenunion noch entschlossener und noch umfangreicher für Europa. Wir wollen für Österreich ein zeitgemäßes Bankeninsolvenzrecht. Es fehlt das Instrument des Equity Swaps, das ist auch wichtig, um die Gläubiger in die Ziehung zu bekommen. Die Deutschen haben das schon, Österreich konnte sich nicht durchringen, ein zeitgemäßes Marktinsolvenzrecht umzusetzen. Insolvenzrecht für Bundesländer schon angesprochen, Transparenz bei den Haftungen beispielsweise viel entschlossener als jetzt. International brauchen wir entschlossene Maßnahmen zum Schließen von Steueroasen. Ich halte das für eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, dass wir auch eine Antwort finden im Bereich der Steuergerechtigkeit. Es kann nicht sein, dass sich große Konzerne die Dinge richten und die Klein- und Mittelbetriebe bleiben auf einem Steuerdruck sitzen, der ihnen die Luft zum Atmen nimmt. Antworten zu finden geht nur im Rahmen internationaler Bestrebungen, durch die Welthandelsorganisation, die UNO, im Rahmen der OSZE, im Rahmen sämtlicher internationaler Organisationen. Ich glaube, dass es leider noch weitere Erschütterungen brauchen wird, dass wir hier entschlossen handeln.

philoro: Glauben Sie, dass eine Intervention der Politik in die Finanzmärkte sinnvoll ist oder würden Sie die Märkte sich selbst überlassen?

Strolz: Ich habe da eine ganz klare Haltung. Wir sind Freunde der ökosozialen Marktwirtschaft und ich glaube, dass der ökoso-ziale Markt der beste Hebel für Wohlstand für die breite Masse ist. Aber der Markt braucht immer ein entschlossenes Gegen-über. Und das ist der Staat. Der Staat muss entschlossen dem Markt die Stirn bieten und sagen, ja, ich habe hier eine ordnende Funktion. Die unsichtbare Hand ist schon am Werken beim Markt, bewerkstelligt auch viel Gutes, aber sie kann auch dysfunk-tional werden. Der Staat muss dort hineinmarschieren, wo Externalitäten nicht abbildbar sind im System. Zum Beispiel Um-weltbelastungen. Ich bin auch dafür, dass wir Derivathandel auf transparente Börsen holen. Ich halte es für falsch, dass Derivat-handel irgendwo in dunklen Handelsräumen passiert. Wir brauchen natürlich einen starken Kapitalmarkt, ein modernes Land braucht das, aber ich bin nicht dafür, dass man mit der aktuellen Konzeption der Finanztransaktionssteuer jetzt den Leuten einfach eine Wertpapiersteuer aufs Auge drückt. Das ist fantasielos. Wir sollten vor allem spekulative Phänomene in die Ziehung nehmen.

philoro: Die Währungen der großen Industrie-Nationen, vor allem USD und EUR, haben in den letzten Jahrzehnten deutlich gegenüber Sachwerten, wie zB Gold, abgewertet. Wie sehen Sie die Zukunft des EUR?

Strolz: An und für sich positiv. Ich glaube, dass wir über den Berg sind. Für den EUR gibt es Propheten des Untergangs, die sagen, er wird nur mehr drei Jahre halten. Ich glaube, dass wir dringend auch ein Insolvenzrecht für Mitgliedsländer der Europäischen Union brauchen. Die Frage ist auch, ob es nicht besser gewesen wäre, Griechenland den Austritt aus der EUR-Zonezu ermöglichen. Ich glaube, wir müssen einfach lernen, dass man zum Beispiel aus Gebilden wie einer Europäischen Union oder der EUR-Zone ausscheiden kann. Das wird nicht alle fünf Jahre möglich sein, das ist eine Entscheidung für eine Generation, aber wir dürfen daran nicht den Weltuntergang festmachen. Wir müssen etwas undogmatischer sein. Das sind schon sehr gewichtige Entscheidungen, das ist mir klar, aber wir müssen das Insolvenzrecht für Mitgliedsländer definieren und hier auch Gestaltungsmöglichkeiten umsetzen – das ist für den EUR sehr wichtig, weil wir einen sehr unterschiedlichen Wirtschaftsraum haben und wir werden auch morgen und übermorgen darauf angewiesen sein, dass einzelne Mitgliedsländer ihr eigenes Haus gut in Ordnung halten. Man muss auch sehen, dass Griechenland selbst sehr viele Fehler gemacht hat. Irgendwann kommt auch der Punkt, an dem man für seine Fehler selbst geradestehen muss. Wir sind Freunde der Eigenverantwortung, der Freiheit, und da kann es auch kein „too big to fail“ geben. „Too big to fail“ ist das Außerkraftsetzen von Naturgesetzen – auch Organisationen sind Lebewesen, die sterben können. „Too big to fail“ heißt, ich hänge dich an Schläuche, pumpe Geld durch und glaube, dass du dadurch wieder vital wirst. Da bin ich sehr kritisch. Wir haben damit auch unser Wirtschaftssystem massiv erschüttert – jeder Gewerbetreibende sagt sich zu Recht: mir hilft keiner, warum soll für die Großen etwas anderes gelten als für mich? Wo ist mein Anreiz, sauber zu haushalten? Der Anreiz ist eher, zu schauen, wo kann ich an die Grenze des rechtlich Möglichen gehen, damit ich möglichst viel Geld der öffentlichen Hand entreiße. Das ist die Aufforderung dieser Krise: Richte es dir, wo du kannst! Die zweite Aufforderung wird sein: Lass dich nicht erwischen! Das untergräbt die Moral in einer Art und Weise, dass es außerordentlich ist. Es wäre die Aufgabe des Staates, zu sagen, die Wettbewerbsbehörden haben versagt, wenn es offensichtlich zu große Organisationen gibt, als dass wir sie in Konkurs gehen lassen können, wenn sie im großen Stil Mist bauen. Dann haben wir zu große Wirtschaftseinheiten.

philoro:
Sie haben ja auch schon angesprochen, dass es bezüglich des EUR auch eine Gegenmeinung gibt, dass uns Inflation ins Haus steht und dass das Geld entwertet wird, also dass die Bevölkerung auch Angst hat vor der Inflation. Können Sie das irgendwie nachvollziehen?

Strolz: Die Angst kann ich nachvollziehen. Die Leute haben Angst, weil hier eine unsichtbare Kraft ihr hart erarbeitetes Geld nimmt, das verstehe ich vollkommen. Die Angst vor großer Inflation sehe ich allerdings nicht begründet. Erstens, die Experten schwanken zwischen der Hysterie bezüglich einer drohenden Deflation und der Hysterie über drohende Inflation, beides ist nicht wirklich sichtbar. Wir sind hier im Moment stabil. Aber wir haben mit ganz viel Geld auf Pump eines gekauft – Zeit. Und jetzt ist es wichtig, dass wir die Zeit nutzen, und das werfe ich der österreichischen Bundesregierung vor: Wir haben in Österreich in den letzten zehn Jahren unsere Staatsschulden nominell verdoppelt. Wir wissen, dass wir das in den nächsten zehn Jahren nicht wei-ter so machen können. Wir wissen auch, dass wir in der nächsten Krise nicht so handeln können. Deswegen müssen wir die er-kaufte Zeit nutzen für mutige Reformen: im Bereich Pensionen, im Bereich Föderalismus, bei der Gesundheit.

philoro:
Die Konvergenz-Kriterien für die EUR-Mitglieder würden de facto die Rahmenbedingungen für moderne Gold-Standards erfüllen, also keine ausufernde Geldmengenausweitung, Verschuldungsgrenzen etc. Was halten Sie davon, dass die Konvergenz-Kriterien immer mehr aufgeweicht werden?

Strolz: Das ist beschissen. Das war ja auch einer der Gründe für diese Krise in Europa. Dass wir alle überschuldet sind, dass wir teilweise eine Spar-Politik fahren müssen, bei der wir die Staaten auch teilweise zu Tode sparen. Auch Österreich hat einen falschen Sparkurs, bei dem wir viel zu viel in Angelegenheiten der Vergangenheit investieren, nämlich Pensionsansprüche etc – und wir haben viel zu wenig investive Budgetpositionen. Wir sind sehr fürs Sparen, aber am richtigen Ort. Und dann kann man auch die Konvergenz-Kriterien einhalten, und die halte ich für wichtig. Du kannst dir nicht Spielregeln geben und dann sagen: wir nehmen das nicht so Ernst.

philoro: Vor mehreren Dekaden war im Bretton-Woods-System der USD als Leitwährung mit Gold hinterlegt. Was würden Sie von einem neuerlichen Gold-Standard halten und welche wäre die Leitwährung?

Strolz: Das halte ich für unrealistisch. Ich sehe auch keine Leitwährung. Ich glaube, wir können heute stolz sein, dass der EUR neben dem USD zu einer starken, weltweit nachgefragten Währung geworden ist. Es werden aus dem asiatischen Raum An-sprüche kommen, auch im Spiel der Währungen eine größere Rolle einzunehmen. Es mit Gold zu hinterlegen, diese Zeit ist vorbei.

philoro: Warum?

Strolz: Weil wir heute eine andere Geldpolitik haben. Weil wir auch die Geldsummen viel stärker variieren als mit einem Gold-standard damals. Und weil ich auch nicht weiß, was es für den Goldmarkt bedeuten würde. Ich halte das für eine leicht verklä-rende Sicht der Dinge, zu sagen, kehren wir zurück zu einem Gold-Standard und alles wird gut. Aber ja, du musst dir Regeln geben, wie eben die Konvergenz-Kriterien. Irgendetwas muss es geben.

philoro: Welche Rolle könnte Gold im aktuellen Finanz- und Wirtschaftssystem spielen?

Strolz: Da bin ich zu wenig Experte – Gold ist immer ein sicherer Hafen und wenn der Goldpreis steigt, das ist immer ein Zeichen, dass man sich Sorgen machen muss, dass es den anderen Anlagebereichen offensichtlich nicht so gut geht.

philoro: Halten Sie es für gut, die Goldbestände der Österreichischen Nationalbank auszuweiten?

Strolz: Ich kann das nicht beurteilen, ich sehe aktuell aus meiner bescheidenen Sicht keinen Handlungsbedarf, sie zurück zu holen. Aber ich bin da emotionslos.
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