Gold - die Veränderung in Zeitabschnitten
Analysiert man die Veränderungsraten in verschiedenen Zeitabschnitten, so erkennt man ebenfalls die relative Knappheit, die höhere Stabilität und die geringere Volatilität des Goldbestandes. Seit 1914, dem Jahr in dem die Federal Reserve ihre Arbeit aufnahm, liegt das Wachstum im Schnitt bei 6,90 Prozent, während der Goldbestand um lediglich zwei Prozent pro Jahr wuchs.
Trotz des technologischen Fortschritts und der damit verbundenen Ausweitung der Fördermenge wuchs der Goldbestand in keinem Jahr um mehr als 3,5 Prozent. Dieses konstante Wachstum des Goldbestandes ergibt sich aus der Beschaffenheit der natürlichen Vorkommen. Auch wenn es immer aufwendiger und teurer wird Gold abzubauen, so wird dies von effizienter werdender Bergbautechnologie kompensiert
Was bedeutet dies nun konkret? Gehen wir davon aus, dass der Goldpreis in Zukunft deutlich steigt und sich die Förderung anpasst, so wäre eine Förderung in Höhe von z.B. 3.500 Tonnen auf Sicht von zehn Jahren.
Einmal mehr möchten wir auf eines der größten Missverständnisse bei Goldeingehen. Es gibt eine klare Unterscheidung zwischen Rohstoffen, die über ein Konsumationsmodell erklärt werden können (zB. Öl, Kupfer, Agrarrohstoffe) und Gütern die gekauft werden um sie zu halten (Gold, Diamanten, Kunst). Während bei Konsumgütern der wirtschaftliche Nutzen entsteht, wenn man das Gut vernichtet bzw. aufbraucht, so liegt der Nutzen von Anlagegütern in deren Besitz und späteren Weiterverkauf. Deshalb haben Rohstoffe ein niedriges Stock-to- Flow Ratio, dh. die Lagerbestände decken den Verbrauch meist nur für wenige Monate. Gäbe es gar keine Lagerbestände, so müsste das Angebot exakt der Produktion und die Nachfrage exakt dem Verbrauch entsprechen. Gibt es jedoch Lagerbestände, so kann der Konsum zeitweise höher liegen als die Produktion. Nachdem die Lager bei Konsumationsgütern jedoch nur gering sind, wird der Preis in Antizipation des baldigen Mangels rasch steigen und den Verbrauch in Einklang mit der Produktion bringen.
Gold und Silber - Diskrepanz bei Produktion und Verfügbarkeit
Anders als bei Rohstoffen besteht bei Gold und Silber eine enorme Diskrepanz zwischen jährlicher Produktion und dem gesamten verfügbaren Bestand (= hohes Stock-to-flow Ratio). Wie bereits im Vorjahr formuliert, gehen wir davon aus, dass das hohe Stock-to-flow Verhältnis das wichtigste Spezifikum von Gold (und Silber) darstellt. Das gesamte jemals geförderte Gold beläuft sich auf ca. 172.000 Tonnen. Dies bezeichnet man als „stock“. Die jährliche Produktion belief sich 2012 auf knapp 2.700 Tonnen. Dies nennt man „flow“. Dividiert man die beiden Beträge, so erhält man das Stock-to-flow Ratio von aktuell 64 Jahren. Wir gehen somit davon aus, dass Gold nicht so wertvoll ist, weil es so selten ist, sondern ganz im Gegenteil: Gold wird so viel Wert beigemessen, weil die jährliche Produktion in Relation zum Bestand so gering ist. Anders ausgedrückt: nicht allein die Knappheit sondern vor allem die Konstanz der verfügbaren Menge macht das wesentliche Alleinstellungsmerkmal von Gold aus. Die jährliche Goldproduktion von knapp 2.700 Tonnen ist für die Preisfindung somit unbedeutend. Diese Eigenschaft wurde im Laufe der Jahrhunderte erworben und kann sich auch nicht mehr ändern. Diese Stabilität und Sicherheit ist eine zentrale Voraussetzung für die Schaffung von monetärem Vertrauen. Neben dem Stock-to-flow Ratio ist die hohe Absatzfähigkeit ein wichtiges Merkmal von Gold. Je leichter ein Gut konvertiert werden kann, desto ausgeprägter ist seine „moneyness“.
Der Grund, weshalb Individuen heute nicht ihr ganzes Geld ausgeben liegt daran, dass sie Reservationsnachfrage für Geld haben und einen größeren Nutzen in der Zukunft sehen. Deshalb ist die Reservationsnachfrage für die Preisfindung essentiell. Es ist entscheidend wer Gold höher bewertet: der neue, inkrementelle Käufer oder der bestehende Eigentümer. Ein Großteil der Goldanalys(t)en beschäftigt sich jedoch ausschließlich mit dem „exchange-demand“ und geht deshalb davon aus, dass die Preisfindung bei Gold mithilfe eines banalen Konsumationsmodelles prognostiziert werden kann.
Jedes Gramm Gold, das aus unterschiedlichsten Motiven gehalten wird, ist zu einem bestimmten Preis verkäuflich. Die Motivationen, Gold zu besitzen sind vielfältig: Als Schmuck, Währungsreserve, in Form von Kunstgegenständen, technologischen Anwendungen etc.. Ebenso vielfältig sind deshalb auch die Zeithorizonte, die zwischen einer kurzfristigen Spekulationen eines Traders bis hin zur generationenübergreifenden Versicherung einer indischen Braut reichen. Diese Entscheidungen sind nicht transparent, sondern hängen von miteinander konkurrierenden Opportunitäten im Zeitverlauf ab. Deshalb sind die Opportunitätskosten so essentiell für den Goldpreis.
Jeder der Gold besitzt, ist somit Teil der Angebotsseite, nachdem er sowohl als Verkäufer aber auch als Käufer von weiteren Einheiten in Frage kommt. Es wird immer einen Preis oder eine Kombination aus Preis und Umständen geben, bei dem Marktteilnehmer ihr Gold verkaufen. Für manchen wird dies auf wesentlich höherem Preisniveau sein, für manchen jedoch auch auf einem deutlich tieferem Preisniveau (etwa in Folge eines deflationären Kollapses). Die Entscheidung Gold auf aktuellem Preisniveau nicht zu verkaufen, ist deshalb ähnlich wichtig wie die Entscheidung Gold zu kaufen.
Quelle: Roland-Peter Stoeferle: Incrementum AG - In Gold we Trust 2013