Eine Kerninflation von 0,7 Prozent in Europa – der niedrigste Wert seit 1991. Und das trotz der angeblichen Preistreiber Energie und Lebensmittel? Da stimmt etwas nicht!
Die Preise in der Eurozone werden sich wohl mittelfristig nicht wieder in Richtung Zielmarke der Europäischen Zentralbank (EZB) von knapp unter zwei Prozent bewegen. Und dies, obwohl die EZB ihre ohnehin schon expansive Geldpolitik immer weiter lockert.
Erst in seiner Septembersitzung hatte der Rat der EZB die Leitzinsen erneut gen Null geschraubt und ein Ankaufprogramm von verbrieften Kreditpaketen (Asset Backed Securities, ABS) und europäischen Pfandbriefen (Covered Bonds) beschlossen. Im Anschluss an die turnusmäßige EZB-Ratssitzung im Oktober gab es Details zu diesen Programmen: EZB-Leitwolf Mario Draghi kündigte an, dass die Notenbank im Oktober für zwei Jahre lang Papiere bis zur theoretischen Marke von einer Billion Euro kaufen werde.
Sinn, Weber, Weidmann: Beim Nachbarn Deutschland läuten die Alarmglocken
Ifo-Chef Hans-Werner Sinn, Ex-Bundesbanker Axel Weber und das überstimmte EZB-Ratsmitglied Jens Weidmann: Eine Allianz aus amtierenden und früheren Notenbankern, Wirtschaftswissenschaftlern aber auch Politikern sehen die EZB auf Abwegen und warnen vor den Folgen.
Die inhaltliche Kritik an Mario Draghis geldpolitischem Kurs dreht sich vor allem um die Auslagerung von Risiken zugunsten der Banken und zulasten von uns Steuerzahlern. Der größte Zweifel besteht an der Wirksamkeit der bislang getroffenen Maßnahmen. Und auch Mario Draghi selbst scheint offenbar nur geringe Erwartungen zu hegen – will er doch notfalls „weitere unkonventionelle Maßnahmen im Rahmen unseres Mandats ergreifen“, wie der EZB-Chef in der vergangenen Woche meinte.
Europäische Geldpolitik: Überschreitet die EZB ihr Mandat?
Mit einer Maßnahme, die Draghi immer wieder andeutet, ist das gewiss der Fall: dem Ankauf von Staatsanleihen. Dabei ist der Italiener erstaunlich hartnäckigig– denn auch ihm ist klar, dass ein solches Programm nur umsetzbar ist, wenn der Euro nicht anders zu retten wäre. Keiner will sich dies ernsthaft vorstellen. Oder steht es um die Währungsgemeinschaft doch schlechter, als allgemein angenommen wird?
Das grundlegende Problem der EZB
Die Notenbank ist zwar bereit, den Banken Liquidität zur Verfügung zu stellen, damit die wiederum mehr Kredite an die Unternehmen in der Eurozone vergeben – allerdings ist das Interesse der Finanzinstitute doch geringer als gedacht. Die EZB-Bilanzsumme lag zuletzt unter zwei Billionen Euro und ist damit auf den tiefsten Wert seit Juli 2011 gesunken. Die Geschäftsbanken haben zum Teil vorzeitig die zinsgünstigen Langfristkredite der EZB zurückgezahlt. Frisches EZB-Geld, das an die Vergabe von Unternehmenskrediten gekoppelt ist, wird bislang in sehr viel geringerem Maße abgerufen als erwartet. Der Ex-Bundesbankpräsident und heutige UBS-Verwaltungsratschef Axel Weber sieht kaum Interesse der Banken daran, mehr Kredite an Unternehmen zu vergeben. Die niedrigen Zinsen machten das Geschäft für die Geldhäuser unattraktiv.
Immerhin geht eine Rechnung der EZB bislang auf: Der Euro verliert gegenüber dem US-Dollar weiter an Wert. Vor wenigen Monaten kostete ein Euro 1,40 US-Dollar, inzwischen sind es nur noch rund 1,25 US-Dollar. Damit steigt die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen. Der Preis für solch ein „Konjunkturprogramm“ könnte am Ende aber zu hoch sein.