„Österreichs internationale Finanzverflechtung befindet sich erstmals seit dem EU-Beitritt in einer Phase der Stagnation“, macht Dr. Aurel Schubert, Direktor der Hauptabteilung Statistik der Oesterreichischen Nationalbank, aufmerksam. „Die jüngste Finanzkrise wirkte wie ein vorübergehender Triebswerksausfall, der Österreichs grenzüberschreitendes Finanzgeschehen nach einem langjährigen Steig- nunmehr in einen Gleitflug zwang“, so Schubert.
Zwischen 1999 und 2008 hatten sich Österreichs internationale Finanzaktiva und - passiva in Summe auf rund das Fünfeinhalbfache des Bruttoinlandproduktes (BIP) mehr als verdoppelt. Im Krisenjahr 2009 reduzierte sich diese Quote aber etwas. Absturzgefahr bestehe jedoch nicht, Österreichs Finanzintegration befinde sich entsprechend seiner Position als hoch entwickeltes Industrieland weiterhin auf äußerst hohem Niveau, meint Schubert. Für die heimische Volkswirtschaft bleiben Auslandsmärkte nach wie vor sehr wichtig. Österreich konnte 2009 infolge seines Leistungsbilanzüberschusses Kapital im Ausmaß von etwa vier Milliarden Euro im Ausland veranlagen.
Auslandsvermögen zum Großteil in Eurozone veranlagt
Das österreichische Auslandsvermögen ist zum Großteil in etablierten Märkten Europas veranlagt. Allein im Euroraum waren Ende 2009 337 Milliarden Euro oder 45 Prozent des gesamten Auslandsfinanzvermögens ohne jegliches Währungsrisiko investiert. Auch die Schweiz ist mit mehr als 100 Milliarden Euro einer der wichtigsten Finanzpartner. Von großer Bedeutung sind aus österreichischer Sicht auch Finanzaktiva in europäischen Wachstumsmärkten. Hier haben österreichische Investoren im Laufe ihrer langjährigen Tätigkeit jedoch eine sehr gute Streuung erreicht. Mit 117 Milliarden Euro entfällt der Großteil auf die Länder der EU-Erweiterungsrunden 2004 und 2007, deren ökonomischer Aufholprozess bereits vergleichsweise weit fortgeschritten ist.
„Die Finanzkrise konnte zwar die grundlegende Struktur der österreichischen grenzüberschreitenden Finanzaktivitäten kaum verändern, wohl aber deren Dynamik erheblich stören“ erläutert Direktor Schubert. Das Jahr 2009 war durch massive Einbrüche sämtlicher Finanzveranlagungen im In- und Ausland gekennzeichnet. Österreichs strategische Unternehmensbeteiligungen im Ausland (Direktinvestitionen) erreichten mit 2,7 Milliarden Euro nur 15 Prozent des Vorjahresvolumens und damit den geringsten Wert seit zehn Jahren. Die Zahl der Großprojekte mit Eigenkapitalerwerb von mehr als 100 Millionen Euro ist 2009 auf weniger als zehn gesunken, nachdem es 2008 noch etwa 20 und 2007 sogar 50 solcher Geschäfte gegeben hatte. Umgekehrt waren auch ausländische Investoren kaum an Projekten in Österreich interessiert, passive Direktinvestitionen erfolgten vor allem in Form von nicht entnommenen Gewinnen oder Konzernkrediten, nicht aber mittels frischem Eigenkapital.
Bremse bei Kreditvergabe im Ausland
Ähnliche Zurückhaltung ließen österreichische Banken bei der Kreditvergabe im Ausland erkennen: 2009 wurden per Saldo sogar Kreditmittel im Ausmaß von 3,3 Milliarden Euro abgezogen, nachdem in den beiden Vorjahren noch je etwa 20 Milliarden Euro veranlagt worden waren. Der Rückzug aus dem Auslandsgeschäft erfolgte aus Industrieländern wie aus Wachstumsmärkten in ähnlichem Ausmaß. Vorsicht war insbesondere am Interbankenmarkt spürbar.
Gänzlich anders als in den Jahren zuvor verlor 2009 das Ausland auch als Abnehmer österreichischer Anleihen massiv an Bedeutung. Im Fall der Banken konnten nur staatsgarantierte Anleihen und Pfandbriefe dem Sicherheitsbedürfnis internationaler Anleger einigermaßen gerecht werden. Der Staat setzte bei inländischen Anlegern (vor allem Banken) mit knapp 10 Milliarden Euro drei Mal so viele Anleihen ab wie im Ausland (3,3 Milliarden Euro).
Hohes Vertrauen der Privatanleger in österrreichische Unternehmen
Bemerkenswert war 2009 das Vertrauen österreichischer Privatanleger in die Stärke der heimischen Wirtschaft: Mehr als 700 Millionen Euro wurden in Anleihen österreichischer Unternehmen investiert, während Staatsanleihen per Saldo um 100 Millionen Euro abgestoßen wurden. Privatanleger ließen sich durch hohe Renditen also eher anlocken als abschrecken. Klug investierten sie auch an der Wiener Börse, so Schubert: Sie kauften vor allem zu Jahresbeginn 2009 und damit zu vergleichsweise günstigen Kursen.
Erholungssignale sendete 2009 die Wiener Börse, deren Marktkapitalisierung nach dem Einbruch im Jahr 2008 bereits wieder um 40 Prozent zulegen konnte. Ausländische Investoren wechselten 2009 – nach ihrer vorübergehenden Abkehr vom österreichischen Aktienmarkt – wieder auf die Käuferseite und veranlagten 1,8 Milliarden Euro an der heimischen Börse. „Mit der wiederkehrenden Zuversicht an den Aktienmärkten stieg in Österreich auch das Interesse an Fondsveranlagungen wieder an“, so Schubert.