Erfahrene Öl-Experten fühlen sich an den Ölpreiseinbruch der 1980er Jahre erinnert, der mehr als fünf Jahre für günstige Spritpreise gesorgt hatte.
Dass auch Experten niemals vor Überraschungen gefeit sind, zeigt nicht zuletzt der Ölpreis. Nachdem der Ölpreis von 120 Dollar je Barrel im Juni auf rund 100 Dollar zurückgegangen war, hatten Öl-Analysten noch im Herbst überwiegend mit steigenden Ölpreisen gerechnet. Sie hatten erwartet, dass die Produktion bald nicht mehr mit der steigenden Nachfrage einiger Emerging Markets mithalten könne, weshalb der Höhenflug des Ölpreises bald weitergehen werde. Daraufhin brach der Ölpreis nur immer weiter ein, bis zuletzt kaum noch 45 Dollar für ein Barrel (159 Liter) Rohöl gezahlt wurde. Dadurch sind ein Liter Superbenzin oder Diesel inzwischen für weniger als einen Euro zu haben und es stellt sich die Frage, ob dieser Preiseinbruch so schnell vorübergehen wird, wie er gekommen ist, oder ob jetzt vielleicht für mehrere Jahre mit niedrigeren Spritpreisen zu rechnen ist.
Nur zwei vergleichbare Ölpreis-Einbrüche
Für dauerhaft niedrigere Preise spräche zumindest die historische Erfahrung, die sich allerdings seit den 1970er Jahren nur an zwei vergleichbar schweren Preiseinbrüchen orientieren kann. So war der Ölpreis Anfang der 1980er Jahre zuerst langsam und dann ab 1985 innerhalb von sechs Monaten um 65 Prozent eingebrochen. 2008/09 hatte der Ölpreis sogar 72 Prozent verloren, wobei dieser Crash allerdings im Zuge des allgemeinen Zusammenbruchs der globalen Finanzmärkte und dem schweren Einbruch der Weltwirtschaft erfolgt war. Damals hatte sich der Ölpreis aber dennoch innerhalb eines Jahres wieder zu alten Höhen aufgeschwungen, während die Preise nach 1986 jahrelang niedrig geblieben waren.
Ölpreiseinbruch: 18 Jahre mit fallenden Preisen
Aus Sicht der Konsumenten dürfte also erfreulich sein, dass die aktuelle Situation viel stärker an 1985 erinnert, als an 2008. So hatten die hohen Ölpreise der 1970er Jahre zu erheblich sparsameren Kraftfahrzeugen und geringerem Heizölverbrauch geführt, während die Rohölförderung erheblich gesteigert wurde. Das hatte den Ölpreis von seinem Maximum bei 39 Dollar im Jahr 1981 bis 1985 aber nur langsam auf 26 Dollar zurückfallen lassen, weil die OPEC und dabei vor allen Saudi Arabien ihre Produktion laufend gedrosselt hatten, um die Preise zu stabilisieren. Dadurch hatten Nicht-OPEC-Produzenten wie Russland stetig Marktanteile gewonnen, bis es die Saudis offenbar satt hatten, diese Last alleine zu tragen, und den Ölhahn voll aufdrehten. Daraufhin brachen die Preise 1986 auf 13 Dollar ein und blieben nun fast 20 Jahre lang tendenziell unter Druck. So waren zwar auch in diesem Einbruch wie heute die Explorationsinvestitionen drastisch zurückgegangen. Es hatte aber Jahre gedauert bis sich das auf die Produktionskapazitäten durchgeschlagen hatte. Zuvor holten die Produzenten jedoch so viel aus dem Boden, wie nur möglich, was auch heute wieder zu beobachten ist. Denn anscheinend sind die Produzenten so lange bereit zu fördern – bzw. dazu gezwungen, wenn sie hohe Kredite bedienen müssen - so lange ihre Cash-Kosten vom Ölpreis gedeckt waren, und die lagen damals bei rund 35 Prozent der Gesamtkosten.
Erst als die immer stärker anspringende Weltkonjunktur letztendlich doch zu einem realen Ölmangel geführt hatte, ging der Ölpreis unter starken Schwankungen wieder nach oben. Inflationsbereinigt hatte der Ölpreis seinen alten Höchststand von 1981 tatsächlich erst 2005 übertroffen. Allerdings waren zu diesem Zeitpunkt längst die niedrigen Explorationsinvestitionen wirksam geworden, und führten nun trotz dem Einbruch von 2008 seither zu überschießenden Ölpreisen.
Ölpreiseinbruch: Auch heute mehr Angebot als Nachfrage
Auch heute sind im Westen – diesmal vor allem aufgrund des Klimawandels – erhebliche Einsparungen erfolgt, während der Kfz-Boom in aufstrebenden Ländern wie China und Indien nicht ganz so stürmisch zu verlaufen scheint, wie bislang erwartet wurde. Dazu kommt der Shale-Boom der USA, der die USA in wenigen Jahren von Ölimporteur zum Exporteur hätte machen sollen, was nun allerdings massiv in Frage gestellt wird. Denn dafür wären weitere Milliardeninvestitionen erforderlich, die zum aktuellen Ölpreis kaum getätigt werden. So liegen die Produktionskosten der Shale-Produztenten im Schnitt bei rund 70 Dollar je Barrel, weshalb schon seit Monaten keine neuen Produktionen mehr begonnen werden. Die bestehenden Anlagen fördern hingegen ihr absolutes Maximum, das allein schon um ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen zu können.
Ölpreiseinbruch: Neuer „Gleichgewichtspreis“ bei 50 Dollar?
Laut Notenbankgouverneur Ewald Nowotny gebe es jedenfalls einen „breiten Konsens“, dass „der Ölpreis von 100 Dollar überhöht war und sich ein neuer Gleichgewichtspreis (der dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage entspricht) bei 50 Dollar einpendeln könnte“. So sehr hier zwar auch Notenbanker-Wunschdenken mitspielen mag: Sollte die Produktion tatsächlich die Nachfrage so deutlich übersteigen, wie Experten inzwischen vermuten, dann lässt das Beispiel der 1980er Jahre jedenfalls vermuten, dass die Preise durchaus noch ein paar Jahre niedrig bleiben könnten. Die Goldman Sachs Group rechnet für 2015 jedenfalls nur noch mit einem Durchschnittspreis von 47 Euro und mit 65 Dollar im Folgejahr.