Nach den Wahlen in der EU und der Ukraine erholen sich die Börsen, der Euro legt gegenüber dem US-Dollar zu und die Kreditkosten für südeuropäische Staaten haben sich verbilligt.
Die Ängste vor einer weiteren Zuspitzung in der Ukraine-Krise und stärkerem politischen Gegenwind für das Friedens- und Wohlstandsprojekt EU sind erst einmal vom Tisch.
Europa
Die Stimmenzuwächse für rechtspopulistische und EU-kritische Parteien sind in einigen Mitgliedsstaaten zwar gewaltig, und die Euro-Skeptiker werden künftig im europäischen Parlament mehr Sitze als bisher haben. Allerdings sind die verschiedenen Gruppierungen so heterogen, dass sie kaum ihre Kräfte bündeln und mit einer Stimme sprechen können.
Besonders wichtig für die dringend erforderlichen Strukturreformen in Euroland: In den Krisenländern Spanien, Portugal, Irland oder Italien haben die Wähler den Kurs der Regierungsparteien größtenteils bestätigt. Insbesondere der deutliche Wahlerfolg der Sozialdemokraten in Italien stärkt den neuen Premierminister Matteo Renzi, der mit tiefgreifenden Reformen die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone wieder auf Kurs bringen will.
Ukraine
Der deutliche Sieg des Schokoladen-Milliardärs Petro Poroschenko bei der Präsidentenwahl könnte erheblich zur Stabilisierung der dortigen Lage beitragen. Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) bewerteten trotz massiver Einschüchterungen durch pro-russische Separatisten den Urnengang als weitgehend demokratisch. Russland ist offenbar bereit, das Wahlergebnis anzuerkennen. Und Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier bewertete den Wahlausgang in der Ukraine als klares Votum für „ein Ende von Gewalt, Chaos, Korruption und Konfrontation“.
Lockert die EZB ihre Geldpolitik weiter?
Zur Entspannung auf politischer Seite gesellt sich die Hoffnung, dass die Europäische Zentralbank ihre Geldpolitik im Juni weiter lockert. Tatsächlich bekräftigte EZB-Chef Mario Draghi auf einer hochkarätig besetzten Konferenz im portugiesischen Sintra am Tag der Europa-Wahl die Handlungsbereitschaft der Währungshüter: „Die Wähler verlangen bessere Antworten auf ihre Fragen zu den Themen Wachstum und Verteilung. Und sie verlangen diese Antworten von uns.“
Maßnahmen gegen die schwache Inflation in der Eurozone, die nach Ansicht der EZB ein Risiko für Wachstum und Währung darstellt, dürfte Draghi bereits in der kommenden Woche verkünden. Am 5. Juni tagt der EZB-Rat. Viele Experten rechnen mit einer Absenkung des Leit- und womöglich des Einlagenzinses und hoffen auf die Ankündigung eines Ankaufprogramms für private Anleihen. „Vorbeugende Maßnahmen", so Draghi in Portugal, könnten angesichts der verzögerten Wirkung geldpolitischer Schritte gerechtfertigt sein. Für einen Notenbanker, der seine Worte immer mit Bedacht wählt und Botschaften gern verklausuliert, klingt dies wie ein Versprechen.