Eurokrise
Wechselbäder für die Anleger
Sieben Fragen an: Bernhard Spittaler
Goldminenaktien derzeit besonders interessant
Walter K. Eichelburg
"Goldener die Zukunft nicht sein kann"
November 2011
Geldentwertung klettert wieder auf 3,6 Prozent
Biallo.at: Was sagt Ihre aktuelle Gold-Studie? Steht uns jetzt die große Preiskorrektur bei Gold unmittelbar bevor?
Grüner: Wenn etwas heiß begehrt wird, wollen es die Leute – trotz der Fahnenstange im Chart – haben. Koste es was es wolle. Doch, wenn einem etwas heiß und begehrenswert erscheint, so muss dies noch lange nicht sinnvoll sein – ein klassischer kognitiver Irrtum. Das Muster beim Gold im letzten Jahrzehnt hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit der Bewegung im DAX der 90er Jahre. Ich höre Sie bereits sagen: „Das hat doch nichts miteinander zu tun, das kann man nicht so einfach vergleichen.“ Aber schauen Sie selbst im Chartverlauf nach! Das Kursmuster im DAX der 90er Jahre und Gold von 2001 bis 2011 ist nahezu identisch!
Biallo.at: Viele Anleger fühlen sich als die Gold-Experten. Sie haben da folgenden Selbsttest für Anleger parat: Anleger sollten sich danach fragen, wie gut ihre Timing-Fähigkeiten sind, was ihre letzten fünf guten Transaktionen waren? Ihre Fragen dazu lauten zum Beispiel: Haben Sie Mitte der 90er Jahre amerikanische Technologieaktien gekauft? Haben Sie Technologieaktien im März 2000 verkauft oder gar „geshorted“? Haben Sie kurzfristig globale Aktien in 2001 verkauft und im März 2003 zurückgekauft, um sie bis 2007 zu halten? Haben Sie im Januar 2007 Öl gekauft, also kurz vor dem letzten steilen Anstieg, und es im Juli 2008 verkauft? Haben Sie im Herbst 2008 Aktien aus den Emerging Markets gekauft? Oder Aktien zu Beginn des Jahres 2009, als die Stimmung am Boden lag und Panik um sich griff? Und dann kommt Ihre Schlüsselfrage für Anleger: Was macht Sie, wenn Sie solche Dinge zeitlich bisher nicht vernünftig timen konnten, sicher, dass Sie den jetzigen Gold- Boom timen können? Bewahrt das Anleger vor dem Schlimmsten?
Grüner: Die Überschätzung der eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten ist immer eine der größten Gefahren für Anleger. Diesen Zusammenhang habe ich in meinem Buch „Die acht größten Fallen für Geldanleger“ beschrieben. Zufällig entstandene Erfolge schreiben sich viele Anleger gerne auf die eigene Rechnung. An ihren Fehlentscheidungen waren immer angeblich „die Märkte“, „Pech“ oder sonstige Dinge schuld. Mit dieser fehlenden Einsicht in seine eigenen – oft begrenzten – Fähigkeiten findet kein Lernprozess aus den eigenen Fehlern statt. Das fehlerhafte Reaktionsmuster bleibt bestehen. Eine der größten Gefahren schlechthin für den Anleger. Nie dazulernen ist nie gut!
Biallo.at: Gold ist die aktuell begehrteste Anlageklasse. Im Kampf um hohe Aufmerksamkeit setzen die Analysten ihre Kursziele immer höher. Können all diese Experten irren?
Grüner: Im Kampf um hohe Aufmerksamkeit setzen die Analysten ihre Ziele immer höher. Ein Wettlauf um die spektakulärsten Goldprognosen macht die Runde. Die Investmentbank JPMorgan rechnet bis Jahresende jetzt – nach dem Erreichen des ehemaligen Kursziels von 1.800 US-Dollar - mit einem Goldpreis von mindestens 2.500 US-Dollar je Feinunze. "Vor dem Entzug der Bestnote der USA hatten wir mit rund 1800 US-Dollar je Feinunze bis zum Ende des Jahres gerechnet. Diese dürfte sich nun als zu konservativ erweisen“, schrieb JP Morgan kürzlich in einer Mitteilung an ihre Kunden. Noch vor wenigen Wochen galt diese Aussage als plausibel und wurde oft zitiert. Heute notiert der Goldpreis bei rund 1.600 US-Dollar und damit zweihundert US-Dollar tiefer als zur Veröffentlichung der erhöhten Prognose von JPMorgan. Die 2.500 US-Dollar wurden weit verfehlt. Der erwartete Kursanstieg ist zu einem Verlust für Anleger geworden, die dieser Empfehlung gefolgt sind.
Zudem sind viele Goldanleger ob der jüngsten Kurskorrektur nervös. Die Notenbanken sitzen ebenfalls auf hohen Kursgewinnen, die sie evtl. im Zuge der Finanzkrise zur Deckung ihrer hohen Verluste beim Aufkauf von Staatsanleihen realisieren müssen. Dieser drohenden Gefahr sind sich viele Goldfans nicht bewusst.
Biallo.at: Sie machen Anleger in Ihrer Gold-Studie darauf aufmerksam, dass der Goldpreis bis 2005 18 Jahre gebraucht hat, um die 500 US-Dollar des Jahres 1987 wieder zu erreichen. Das vorherige Hoch nach dem Goldhype Anfang der 80er-Jahre wurde inflationsbereinigt bis heute nicht mehr erreicht. Sind die Schlauen jetzt jene, die bei Gold schon wieder aussteigen?
Grüner: Obwohl sich der Goldpreis in den letzten Jahren bereits mehr als versiebenfacht hat, wird jetzt meist eine größere Depotgewichtung zur „Absicherung“ diverser Risiken empfohlen. Günstig ist Gold sicher nicht mehr. Ein Schnäppchen schon gar nicht. Antizyklisch agierende Investoren trennen sich in ihrem Umfeld eher von zu großen Goldpositionen. Diese vermeintliche „Absicherung“ mit Gold kann durchaus nach hinten losgehen!
Biallo.at: Sie erinnern an den Ölhype 2008 oder Technologieaktien 2000. Beim Ölpreis verlief die Entwicklung ähnlich extrem wie bei Gold. Viele Experten erklärten, warum der Ölpreis nur noch steigen werde. Viele spektakuläre Kursziele zwischen 200 und 300 US-Dollar wurden veröffentlicht und auch damals tobte – wie jetzt auch beim Goldpreis – der „Wettbewerb“ um die spektakulärste Prognose. Der anschließende Einsturz auf knapp über 30 US-Dollar innerhalb von nur wenigen Monaten folgte. Verdrängen oder vergessen Anleger derartige Ereignisse zu schnell?
Grüner: Die Verhaltensmuster der Investoren sind beinahe immer identisch. Blasen entstehen meist dann, wenn Anleger eine neue Ära ständig steigender Preise – einen Superzyklus - gekommen sehen. 2000 beim DAX, Nemax und Nasdaq, Mitte 2008 beim Öl und jetzt wohl auch beim Gold! Das war nie anders und wird nie anders sein!
Biallo.at: Ist Silber noch eine günstige Alternative zu Gold?
Grüner: Silber hat sich mittlerweile vom Goldpreisanstieg abgekoppelt, aus gutem Grund. Silber wird in der heutigen Rezessionsangst wieder eher als Industrie- denn als Edelmetall und „sicherer Hafen“ wahrgenommen. Gold ist wesentlich gefragter und hat auch diesen plötzlichen Einbruch des Silberpreises nicht in diesem Ausmaß mitgemacht. Vorsicht bleibt jedoch auch beim Gold angeraten.
Biallo.at: Gibt es Vorboten, die signalisieren, dass Blasen bald platzen?
Grüner: Der plötzliche Kurseinbruch beim Silber sollte Ihnen verdeutlichen, was auch dem Goldpreis jederzeit blühen kann. Ein weiterer, extremer Einbruch innerhalb weniger Tage. Die letzte Aufwärtsbewegung des Goldpreises wird - ähnlich wie der Hype beim Silberpreis im Frühjahr – von nervösen Anlegern getragen, die sich „absichern“ wollen. Diese Übertreibung kann sich schnell in einem weiteren Kursrutsch entladen! Vorsicht ist auch beim Gold dringend angebracht, um nicht unvorbereitet in die Falle der fortgesetzten, großen Kurskorrektur zu tappen.
Ein kleines Rechenbeispiel zum Abschluss: Die jüngste, heftige Korrektur beim Gold geschah vom 06. September bis zum 26. September 2011 von 1.920 auf 1.532 US-Dollar. Fast 400 US-Dollar runter in wenigen Handelstagen. Sollte sich – wie beim Silber geschehen – eine zweite und nahezu identisch lange Abwärtswelle ausgehend vom Zwischenhoch bei 1.803 US-Dollar am 08. November 2011 ausbilden, dann läge das theoretische Kursziel bei knapp über 1.400 US-Dollar. Vorsicht beim Gold bleibt angebracht. Die Korrektur erscheint mir nicht abgeschlossen.