Biallo.at: Herr Eichelburg, Jürgen Stark, Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, hält die Risiken in Hinblick auf die Kostenbelastungen durch die Schuldenkrise Griechenlands für beherrschbar. Eine Illusion?
Walter K. Eichelburg: Jeder in der EZB vertitt Parteiinteressen, daher sind von dort nur Lügen zu erwarten. Nachdem die EZB großteils Griechenpapiere als "Assets" in der Bilanz hat, ist sie pleite, wenn Griechenland pleite geht. Aber das will man jetzt ohnehin zulassen, da Italien gerade pleite geht. Dieses ist scheinbar "wichtiger" als die Griechen. Bald sind wir soweit: Jedes Euro-Huhn wird um das eigene Überleben kämpfen. Solidarität und gegenseitige Rettungen werden bald aufhören.
Biallo.at: Der Sparkurs überfordert das Land jetzt schon. Die Bevölkerung rebelliert, die Konjunktur bricht ein. Wie lange wird Griechenland noch Teil der europäischen Währungsgemeinschaft bleiben können?
Eichelburg: Vor etwa einem Monat hat man in Griechenland schon überlegt, ob man nicht aus dem Euro austreten sollte. Das wird jetzt sicher wieder aktuell. Das griechische "Sparen" ist eigentlich nur dazu da, damit die Zahlerstaaten ihren Bevölkerungen das Weiterzahlen für Griechenland schmackhaft machen können. Real sparen die Griechen nicht, es werden nicht massenhaft Beamte und Rentner entlassen - das wäre notwendig. Die griechischen Staatsbetriebe sind auch unverkäuflich, wenn nicht die Arbeitsgesetze geändert werden, um die Macht der Gewerkschaften zu brechen und Massenentlassungen zu ermöglichen. Keine Spur davon.
Biallo.at: Griechenland ist – vorerst – gerettet. Aber was ist mit den anderen, wohl größeren „Brocken“ in Europa: etwa Spanien, Portugal, Irland - oder auch Belgien und Italien? Kann ein ähnliches „Prozedere“ hier überhaupt greifen?
Eichelburg: Italien ist gerade dran, aus früheren Beispielen abgeleitet, ist das Land kurz davor nach dem "Rettungsschirm" zu rufen. Nur dazu ist das Land zu groß. Spanien wird auch bald drankommen, dann Frankreich, das auch eine massiv negative Handelsbilanz hat und zudem noch tief in Italienbonds drinnensteckt.
Biallo.at: Der Rettungsschirm im Zuge der europäischen Währungskrise wird vermutlich weiter ausgeweitet werden. Ab Mitte 2013 soll eine dauerhafte Lösung, der European Stability Mechanism, kurz ESM, den EFSF (European Financial Stability Facility) ablösen. Reicht der Rettungsschirm bis dahin?
Eichelburg: Ja, man redet schon von 1,5 Billionen Euro. Aber das müsste durch die Parlamente zumindest aller AAA-Zahlerstaaten gehen und vom Markt als realistisch eingeschätzt werden. Beides ist nicht der Fall. Besonders im Fall von Deutschland kippt die öffentliche Meinung jetzt massiv gegen alle Bailouts. Der ESM ist eine Art von Selbstausschaltung der Parlamente in Finanzfragen. Es ist unwahrscheinlich, dass das durch alle Parlamente geht.
Biallo.at: Was halten Sie von Vorschlägen, gewissermaßen als letzte Rettungsaktion, einen „Nordeuro“ und eine „Südeuro“ einzuführen?
Eichelburg: Der Nordeuro taucht immer wieder auf - seit der Bankenkrise 2008. Nach dem baldigen Euro-Crash, der noch im Sommer 2011 zu erwarten ist, werden wieder neue, nationale Währungen kommen. Also die D-Mark 2, der Schilling 2, die beide schon gedruckt sind. Soetwas wie den "Nordeuro" hatten wir vor dem Euro in anderer Form schon, als verschiedene Staaten ihre Währungen an die D-Mark koppelten, d.h. den Wechselkurs stabil hielten.
Biallo.at: Thema Rohstoffpreise: Gold und Silber konnten in den letzten Tagen wieder deutliche Lebenszeichen von sich gegeben. Auch der aktuelle Spezialreport von der Ersten und Herrn Stöferle senden deutlich bullische Signale. Was sind derzeit aus Ihrer Sich die treibenden Faktoren am Goldmarkt?
Eichelburg: Der Stöferle-Report ist gut, darf aber auch nicht alles schreiben - weil er von einer Bank kommt. Es gibt einen einzigen treibenden Faktor: den Untergang der Papiergelder weltweit. Daher wird der Goldpreis sehr bald in Höhen hochschießen, die kaum jemand für möglich hält: 10.000 Dollar/oz dürfte die Untergrenze beim Goldpreis sein. Dieser Preisausbruch wird die heutigen Papiervermögen in Rauch aufgehen lassen, denn dahinter stehen nur Schulden (etwa von Griechenland), hinter Gold steht dagegen kein Schuldner. Es ist ein purer Wert für sich selbst, also das letzte Rettungboot, wenn die große Flucht aus dem Papier beginnt.
Biallo.at: Die Inflation im Euroraum liegt – offiziell - mit rund vier Prozent nun knapp auf dem kurzfristigen Zinsniveau, in den USA und dem asiatischen Raum befinden sich die Realzinsen tief im negativen Bereich. Wie lange wird diese perfekte Situation für Edelmetalle noch anhalten?
Eichelburg: Die reale Inflation im Euroraum liegt viel höher, etwa bei acht bis zehn Prozent pro Jahr. Die Leitzinsen stehen bei 1,5 Prozent also sogar noch unter der offiziellen Lügen-Inflationsrate. Das geht nur eine gewisse Zeit, dann kommt die Flucht aus dem Geld und die Zinsen müssen hoch. In den USA, China oder Indien ist es noch schlimmer. Kein Wunder, dass die Goldverkäufe in China oder Indien boomen. Das Problem mit den zu niedrigen Zinsen gibt es weltweit. Aber der Goldpreis wird erst dann richtig anziehen, wenn die Währungskrise da ist und die Währungen über schnell steigende Zinsen verteidigt werden müssen - denn dann kracht alles zusammen.
Biallo.at: Sie sind der festen Überzeugung, dass das globale Finanz-System bereits in den nächsten zwölf Monaten kollabieren könnte – was macht Sie so sicher?
Eichelburg: Sicher ist gar nichts, aber wahrscheinlich. Überall kriselt es massiv: China, Japan, USA, Europa. Es braucht nur ein Staat oder eine Großbank untergehen und die Panikflucht aus allen Wertpapieren beginnt. Vermutlich passiert es noch im Sommer 2011 im Zusammenhang mit der kommenden Italien-Pleite. In einem Tag wird alles vorbei sein, die Banken geschlossen, die Papiervermögen weg, der Goldpreis am Mond und der Mob jagt die Politiker, die bisher die Sparer belogen haben.
Vielen Dank für das Interview!