Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft auch für Finanzwirtschaft notwendig
Biallo.at: Wer trägt aus Ihrer Sicht die Hauptverantwortung für die Krise in der Europäischen Union, insbesondere in der Eurozone – die Politiker, die Banken oder die internationalen Rating-Agenturen?
Küberl: Alle zusammen. Es ist ganz massiv auch eine Systemfrage. Erlauben Sie mir auch einen theologischen Bezug herzustellen. Wir haben es mit einer gewaltigen strukturellen Sünde zu tun, die enorm viel Ungerechtigkeit schafft und ständig Leid, Elend und Not produziert, denken Sie an die Folgen der weltweiten Nahrungsmittelspekulationen. Für Europa gesprochen: Wir müssen die Prinzipien der ökosozialen Marktwirtschaft auf die Finanzwirtschaft übertragen. In der Realwirtschaft lassen wir Vieles schon lange nicht mehr zu, was in der Finanzwirtschaft gang und gebe ist.
Biallo.at: Was sollten die Politiker in Österreich bzw. in der Europäischen Union oder auf der Ebene der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer tun, um Auswüchse des Finanzsystems zu verhindern?
Küberl: Um einige Beispiele zu nennen: Jedes Finanzprodukt muss einer Genehmigung unterzogen werden - auch für jedes Auto gibt es einen Zulassungsschein -, die Finanztransaktionssteuer muss schon allein aus Transparenzgründen eingeführt werden, Gewinne auf den Finanzmärkten müssen für die sozialen und ökologischen und weltweiten Herausforderungen herangezogen werden und die Spekulation mit Lebensmitteln muss untersagt werden. Flugbenzin gehört ebenso besteuert wie der Treibstoff für die Frachtschiffe. Die Profite aus der Globalisierung müssen derart weltweit besteuert werden, damit Mittel da sind, um die Millenniumsentwicklungsziele zu erreichen und vor allem den Hunger auszurotten, die Weltmeere vom Plastik zu befreien und die Folgen des Klimawandels für die ärmsten Regionen der Welt aufzufangen.
Biallo.at: Wie sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit Banken oder anderen Finanzdienstleistern?
Küberl: Ich habe ja nur mit Banken zu tun, die soziale Verantwortung als Aufgabe sehen. Und hier gibt es viele Beispiele für konkrete Unterstützung: Das geht von der Entwicklung einer Zweiten Sparkasse über Habenkonten, Unterstützung von Hilfsprojekten bis zu Kampagnensponsoring und, und, und.
Bewegungen des Zorns sind wichtiger Funken für Veränderung
Biallo.at: Wird es der EU-Politik gelingen, die Finanzlobby wie andere Bereiche der Wirtschaft einer parlamentarischen Kontrolle zu unterziehen oder wird die Finanzlobby auch in der Europäischen Union mächtiger als Politiker bleiben?
Küberl: Ich bin ein Optimist und selbst in der Finanzlobby macht sich die Erkenntnis breit, dass es so nicht mehr weiter gehen kann. Und wir haben es mit Themen und Problemen zu tun, die schon im Alten Testament hoch aktuell waren. Der Kapitalismus wurde in vielen Ländern in die Bahnen der sozialen Marktwirtschaft gelenkt und damit humanisiert, denn soviel Wohlfahrt für die breite Bevölkerung, wie wir durch die soziale Marktwirtschaft erzielen konnten, ist historisch ein einmaliges Ereignis. Das ist ein Erfolgsmodell und daher Vorbild für die Finanzwirtschaft, wenn auch durch die globale Vernetzung schwieriger in der Umsetzung.
Biallo.at: Was halten Sie von neuen Bewegungen, die gegen die Macht der Banken und Finanzdienstleister demonstrieren, wie etwa "Occupy Wall Street"?
Küberl: Sehr viel. Das sind Bewegungen des Zorns und gleichzeitig ganz wichtige Funken für Veränderung. Es ist viel Wut da, die nur allzu verständlich ist. Und die Politik muss diese Bewegungen ernst nehmen und wird viel Mut brauchen für eine klügere Politik.
Caritas Österreich
Für die Caritas arbeiten in Österreich 12.015 hauptberufliche MitarbeiterInnen und über 27.000 ehrenamtlich Engagierte in Pfarren und Einrichtungen der Caritas. Die Caritas hilft dabei mit mit folgenden Projekten.
Menschen in Not: 27 Obdachloseneinrichtungen, davon neun Mutter-Kind-Häuser. Über 51.500 Menschen erhalten Rat und Unterstützung in einer der 36 Caritas-Sozialberatungsstellen. Insgesamt zahlte die Caritas rund 3,3 Millionen Euro an Soforthilfe aus.
Betreuen und Pflegen: Rund zwei Millionen. Einsatzstunden in der Betreuung und Pflege zu Hause. 46 SeniorInnen- und Pflegehäuser, über 4.500 betreute Menschen in SeniorInnen - und Pflegehäusern, rund 5.000 MitarbeiterInnen
Hospiz und Palliative Care: Rund 4.000 schwer kranke und sterbende Menschen werden von der Caritas betreut, mehr als 300 ehrenamtliche und 100 angestellte MitarbeiterInnen
Menschen mit Behinderung: Rund 5.100 betreute Personen (Teil- und Vollzeitwohnen, Arbeitsprojekte, Qualifizierungsmaßnahmen, Assistenzdienste), zusätzlich werden über 3.300 Menschen sozialpsychiatrisch betreut (meist Beratungsdienste).über 3.100 hauptberufliche MitarbeiterInnen
Flüchtlingshilfe: Die Caritas beherbergt im Auftrag der Bundesländer AsylwerberInnen in 35 Häusern,berät in 35 Beratungsstellen und betreut auch in entlegenen Quartieren mobil.
etwa 560 hauptamtliche MitarbeiterInnen in Flüchtlings und MigrantInnendiensten
Caritas Auslandshilfe: Die Caritas Österreich förderte im Jahr 2010 weltweit 555 Hilfsprojekte.
Das Gesamtvolumen dieser Hilfe beträgt 25,7 Millionen Euro.Schwerpunkte sind: Katastrophenhilfe, Kinder in Not, langfristige Existenzsicherung, Frauen, HIV/Aids, Roma und andere Minderheiten, Menschen mit Behinderung, Menschen auf der Flucht
Spenden an die Caritas: 60,6 Millionen Euro betragen die Spenden an die Caritas.
Die größte Kampagne ist die Augustsammlung (»Meine Spende lebt«) mit einem Volumen von 3,2 Millionen Euro. Die Kinderkampagne (Straßenkinder/Osteuropa) und die Inlandskampagne bringen 1,5 Millionen Euro bzw. 2,2 Millionen Euro. Die Mittel aus der Haussammlung betragen 5,8 Millionen Euro. Licht ins Dunkel unterstützt die CaritasHilfe mit 400.000 Euro. Aus der »Aktion Wundertüte« kommen 315.000 Euro.