Quantitatives Bewertungsmodell von Gold: Eine Szenario-Analyse
Um dennoch eine „Bewertung“ für den Goldpreis abgeben zu können, haben wir ein Modell erstellt, bei dem wir ein möglichst breites Spektrum an unterschiedlichen Erwartungshaltungen der Marktteilnehmer berücksichtigen. Dies ist gleichzeitig auch ein Versuch, die Vielfalt der aktuell besonders gegensätzlichen Meinungen in Bezug auf die zukünftige Goldpreisentwicklung zu erklären. Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist stets die monetäre Betrachtungsweise von Gold. Insofern sind die (oftmals impliziten) Annahmen der Marktteilnehmer über die weitere Geldpolitik der USA essentiell. Wir denken, dass hier folgende zwei Parameter von entscheidender Bedeutung sind:
In einem Währungssystem mit einem hundertprozentigen Goldstandard würde die Bilanz der Zentralbank einen Deckungsgrad von 100 Prozent Gold aufweisen. Der Gegenwert des gesamten ausgegebenen Bargeldes sowie aller Bankreserven von Kommerzbanken bei der Zentralbank wären somit mit Gold gedeckt. Im Federal Reserve Act von 1914 war eine Golddeckung von mindestens 40 Prozent vorgeschrieben. Würde diese Marke heute erreicht werden, müsste der Goldpreis auf USD 5.100 steigen. Von 1945 bis 1971 war lediglich eine 25-prozentige Deckung notwendig. Bei einer 25prozentigen Deckung läge der Goldpreis nun bei USD 3.200. Seit dem Ende des Bretton Woods Systems ist keine Golddeckung mehr vorgeschrieben. Trotzdem halten die Zentralbanken weiterhin Goldreserven97. Seit 1971 schwankt die Golddeckung aufgrund des freien Marktpreises von Gold relativ stark. Der durchschnittliche Deckungsgrad seit 1973 beträgt 33 Prozent. Die minimale Golddeckung lag bei etwas über zehn Prozent und die maximale bei160 Prozent. Zu aktuellen Kursen beläuft sich die Golddeckung auf 11,5 Prozent.
Eine Grundannahme unseres Modells ist, dass sich verstärkte Zentralbankbilanzausweitungen langfristig in höheren Marktpreisen und damit auch höheren Golddeckungsgraden auswirken und viceversa. Der Golddeckungsgrad drückt gewissermaßen auch den „Monetarisierungsgrad“ des Goldes aus. Analog dazu ist es konsistent, dass in einem Umfeld von steigendem Vertrauen in FIAT-Geld der Monetarisierungsgrad des Goldes bzw. die Golddeckung tendenziell fällt.
Um nun anhand der beiden Parameter (Zentralbankbilanz und impliziter Golddeckungsgrad) Preisziele zu errechnen, haben wir betreffend des weiteren Verlaufes von Quantitative Easing (QE) folgende vier Szenarien erstellt und jeweils mit unterschiedlich hohen Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichten:
Wie man erkennen kann, divergieren die von uns gewählten Szenarien deutlich voneinander. Dies spiegelt unserer Meinung nach die unterschiedlichen Einschätzungen der Marktteilnehmer hinsichtlich der Wirksamkeit bzw. der zukünftigen Entwicklung des aktuellen QE-Programmes wider. Wir wollen an dieser Stelle an die glasklare Sprache des US-Notenbankchefs Ben Bernanke erinnern, der erst am 20 Juni 2013 wieder explizit auf den nicht deterministischen Charakter des Ausstiegs aus dem zeitlich unbegrenzten QE-Programm hinwies: Für die Szenarien 3 und 4 haben wir geringe Eintrittswahrscheinlichkeiten einer höheren impliziten Golddeckung modelliert. Dies repräsentiert sozusagen die „Fat-Tails“ für den Papierdollar. Auch wenn man diese extremen Szenarien nur mit einer sehr überschaubaren Eintrittswahrscheinlichkeit kalkuliert, schlägt sich dies trotzdem nennenswert als Risikoprämie gegenüber dem aktuellen Goldpreis nieder. Auf alle vier Szenarien durchgerechnet haben wir für die sehr divergenten Szenarien die nachfolgende Verteilung ermittelt. Hier fällt auf, dass die Verteilung flach und rechtsschief ist. Dies macht aus unserer Sicht insofern Sinn, da je nach Erwartung über Wirkung und Weiterentwicklung des aktuellen monetären Experiments, die Meinungen stark divergieren. Marktteilnehmer, welche sich im Lager befinden, wonach QE seine Wirkung bald erreicht haben wird, die sogenannte „Escape Velocity“ der Wirtschaft bald erreicht ist und wir vor einem selbsttragenden Aufschwung stehen, werden hier von der linken Seite der Verteilung repräsentiert. Diejenigen, die sich hinsichtlich des geldpolitischen Experiments unschlüssig sind, von der Mitte und jene Marktteilnehmer, welche sich hinsichtlich QE besonders skeptisch zeigen bzw. sogar möglicherweise das aktuelle Papiergeldsystem hinterfragen, finden sich weit rechts auf der Verteilung wieder.
Das Modell errechnet mit den skizzierten Szenarien undWahrscheinlichkeiten einen langfristig erwarteten Wert von USD 2.230 für eine Unze Gold. Wie wir schon erläutert haben, gehen wir von einer sukzessive zunehmenden monetären Rolle von Gold aus, was damit einhergehend konsistent ist.
Über unser monetäres Bewertungsmodell hinaus, möchten wir die relative Über- oder Unterbewertung von Gold gegenüber anderen Asset-Klassen analysieren. Die Ratio-Analyse ist eine einfache und extrem nützliche Facette der technischen Analyse. Durch einfache Division eines Wertes durch einen anderen wird eine Verhältniszahl gebildet, deren Ergebnis als Linie dargestellt wird. Nachdem wir Gold jeweils als Zähler (also zB. Gold/Öl) gewählt haben, bedeutet eine steigende Ratio-Linie eine wachsende relative Stärke von Gold gegenüber dem Nenner.
Das vielzitierte Argument der „Gold-Bubble“ kann somit leicht entkräftet werden. Wir gehen davon aus, dass die Extremwerte aus 1980 angetestet bzw. überschritten werden, nachdem das Ausmaß der Schuldenmisere wesentlich ausgeprägter und globaler ist, als am Ende des letzten großen Bullenmarktes. Bullenmärkte enden in der Euphorie, insofern wird unser Argument für einen finalen Eintritt in eine Trendbeschleunigungsphase untermauert.
Quelle: Roland-Peter Stoeferle: Incrementum AG - In Gold we Trust 2013