Damit rückt die EZB von ihrer bisherigen Kommunikationsstrategie ab. Ließ Draghi bislang immer alle Optionen offen („We never precommit“), gibt er nun einen klaren Kurs vor. „Forward Guidance“ heißt das in der Sprache der Notenbanker – und soll den Akteuren an den internationalen Finanzmärkten mehr Sicherheit für ihre Entscheidungen geben. Die EZB hat ein weiteres Tabu gebrochen.
Zinsniveau an Anleihemärkten steigt
Die Gründe für diesen historischen Kurswechsel sind vielfältig. Die Ankündigung von US-Notenbankchef Ben Bernanke, den Geldhahn angesichts der Konjunkturerholung der amerikanischen Wirtschaft langsam zuzudrehen, sorgt für viel Unruhe. An den Anleihemärkten hat sich das Zinsniveau bereits deutlich erhöht. Die Renditen 10-jähriger US-Staatspapiere sind innerhalb weniger Wochen von 1,5 auf 2,5 Prozent geklettert. Ganz so rasant ging es für deutsche Bundesanleihen zwar nicht nach oben – der Aufwärtstrend aber ist unverkennbar und bleibt auch für Eigenheimer mit Kapitalbedarf nicht folgenlos: Hypothekenkredite haben sich seit Mai durchschnittlich um 0,25 Prozentpunkte verteuert. Laut Biallo-Index Baufinanzierung kostet ein Immobiliendarlehen mit zehn Jahren fester Zinsbindung aktuell 2,57 Prozent.
Leitzinssenkung von 0,25 Prozent könnte kommen
Die EZB wird im Kampf gegen die europäische Schuldenkrise alles tun, was in ihrer Macht steht. Eine Leitzinssenkung von aktuell 0,5 auf 0,25 Prozent wird immer wahrscheinlicher. Außerdem diskutiert der EZB-Rat zusätzliche Maßnahmen. Dazu zählen weiterhin die Förderung der Verbriefung und des Handels von Krediten für mittelständische Unternehmen und ein negativer Einlagezins. Die „Strafgebühr“ für Banken, die Geld bei der EZB parken, wird allerdings äußerst kontrovers gesehen.
Insbesondere in Deutschland stößt dieses Instrument auf Ablehnung – auch weil die Wirksamkeit für die Eurozone angezweifelt werden muss. Über Guthaben bei der EZB verfügen vor allen Dingen die wirtschaftlich stabilen europäischen Kernländer. Institute aus Krisenstaaten wie Italien und Spanien hinterlegen bei der Zentralbank nur vergleichsweise wenig Geld. Somit dürfte ausgerechnet in diesen Ländern der erhoffte Effekt einer verbesserten Kreditvergabe insbesondere an kleine und mittlere Unternehmen begrenzt bleiben.
EZB - Bekenntnis zu einer ultra-lockeren Geldpolitik
Man darf gespannt sein, ob die EZB mit ihrem deutlichen Bekenntnis zu einer ultra-lockeren Geldpolitik für Ruhe am europäischen Rentenmarkt sorgen kann und möglicherweise Konjunkturimpulse setzt. Sollte die Strategie aufgehen, dürfte die Risikobereitschaft der Anleger an den Finanzmärkten wieder zunehmen. Eine Konsequenz wird die Fortsetzung der Rotation aus sicheren Staatsanleihen in renditestärkere Anlagen wie Aktien sein. Auch in Deutschland müssen sich Kreditnehmer dann auf steigende Zinsen einstellen. Vorerst allerdings sollte der jüngste Preisanstieg für Immobilienkredite gestoppt sein.