Die Staatsverschuldung Griechenlands von weit über 100 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts beruht darauf, dass dieses Land jahre-, wenn nicht jahrzehntelang über seine Verhältnisse gelebt und regelmäßig Budgetdefizite erwirtschaftet hat. Ein maßgeblicher Anteil an dieser desaströsen Entwicklung kommt dabei der Korruption in Griechenland zu.
Griechenland leidet unter einer überproportional dimensionierten Bürokratie mit viel zu vielen Staatsdienern. Abgesehen von seiner Ineffizienz ist der öffentliche Dienst besonders korruptionsanfällig. Schätzungen gehen davon aus, dass eine griechische Familie pro Jahr durchschnittlich ca. 1000 Euro an Bestechungsgeldern zahlt. In dem von Transparency International im Herbst 2009 publizierten Korruptionswahrnehmungsindex scheint Griechenland an 71. Stelle und damit als korruptester Staat der Eurozone auf.
Die Korruption im griechischen Staatsdienst beeinträchtigt die objektive Wahrnehmung der Aufgaben durch seine Beamten, was sich insbesondere bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zum Nachteil der Staatskassa auswirkt. Nicht nur, dass die Anbieter die von ihnen entrichteten Bestechungsgelder in die Preise ihrer Angebote einrechnen, ist es naheliegend, dass nicht der preisgünstigste Anbieter den Zuschlag erhält, sondern derjenige, der am meisten besticht.
Ein weiteres erschreckendes Phänomen stellt das – über dem europäischen Durchschnitt liegende – Ausmaß der Steuerhinterziehung in Griechenland dar. Es wird davon ausgegangen, dass ca. 7,0 Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts an Abgaben hinterzogen werden; dies entspricht ca. 17 Milliarden Euro. Diese sozialschädliche Erscheinungsform der Korruption wird wiederum von der Beamtenschaft aus Nachlässigkeit, aber auch aufgrund ihrer Korruptionsanfälligkeit nur äußerst lax oder gar nicht bekämpft. Leidtragender ist einmal mehr der geprellte Staat.
Schließlich war auch die korrupte Handlungsweise griechischer Politiker mitverantwortlich für die die Europäische Union erschütternde Krise, meldeten sie doch Jahre hindurch falsche Budgetdaten nach Brüssel, sodass erst viel zu spät und mit erhöhtem finanziellen Aufwand korrigierend eingegriffen werden konnte.
Das von Griechenland ausgelöste Desaster hat daher wie selten zuvor die Notwendigkeit der Korruptionsbekämpfung schlagend unter Beweis gestellt. Griechenland ist aber kein Einzelfall. Ist es doch bezeichnend, dass Portugal, Spanien und Italien, deren Staatshaushalte gleichfalls den Euro gefährden, auch im Korruptionswahrnehmungsindex schlecht platziert sind (z.B. Italien an 63. Stelle). Will die Europäische Union den Euro nachhaltig schützen, muss sie nicht nur Hilfspakete schnüren, sondern auch die Korruption flächendeckend und energisch bekämpfen.
Dr. Franz Fiedler
Geboren: 1944 in Wien; Promotion zum Doktor der Rechtswissenschaften: 1966; Richter des Bezirksgerichtes Tulln: 1971; Staatsanwalt der Staatsanwaltschaft Wien: 1973; Stellvertreter des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Wien: 1979; Sekretär des Parlamentsklubs der Österreichischen Volkspartei: 1980; Vizepräsident des Rechnungshofes: 1986-1992; Präsident des Rechnungshofes: 1992-2004; Präsident des Österreich-Konvents: 2003-2005; Präsident des Österreichischen Akademikerbundes: seit 2005; Präsident des Beirates von Transparency International – Austrian Chapter: seit 2006.