Außerdem dürfen 40 Prozent der Boniauszahlungen erst nach drei Jahren erfolgen, um kurzsichtige Risikostrategien und kurzfristige aufgeblähte Gewinneinahmen zu unterbinden. Darüber hinaus dürfen ohne Begründung keine Boni in von staatlicher Unterstützung profitierenden Banken ausgezahlte werden. Nun sind die Mitgliedsstaaten gefragt. Sie müssen tätig werden, um ergänzende Maßnahmen zur Begrenzung der Gehälter an sich treffen.
Es wäre wünschenswert und hätte krisenvorbeugende Wirkung, wenn Deutschland das neue EU-Recht und ergänzende nationale Regeln möglichst bald erlässt.
Biallo.at: Sie haben in einem Positionspapier die Macht der Finanzlobby auf die EU-Parlamentarier beklagt. Womit nehmen Lobbyisten Einfluß?
Giegold: Lobbyismus ist Teil der Demokratie und auch nicht per se zu verurteilen. In diesem Sinne habe ich diverse Gesprächsanfragen und bekomme viele Hintergrundinformationen und Positionspapiere von außerparlamentarischen Quellen zugesandt. Das Problem im Bereich der Finanzmarktregulierung ist allerdings, dass diese Argumente die dort an mich heran getragen werden relativ einseitig sind. Es fehlt uns dann einfach eine fundierte Gegenexpertise von der Seite der Zivilgesellschaft, die das Gemeinwohl und nicht ausschließlich Interessen der Konzerne vertritt.
Allerdings finde ich Einladungen zu Veranstaltungen mit Auftritten prominenter Künstler schon im Rahmen einer Diskussion zu Finanzmarktfragen äußerst fragwürdig. Hier stößt man an die Grenzen der Korruption.
Biallo.at: Wie könnte auf EU-Ebene diesem Lobbyismus begegnet werden?
Giegold: In erster Linie ist es wichtig alternatives Expertenwissen zu sammeln, um sich fachlich mit den Vertretern der Industrie auseinander setzen zu können. In diesem Sinne hoffen wir, dass es gelingt, eine zivilgesellschaftliche Initiative aufzubauen, die die Abgeordneten bei der Entscheidungsfindung beraten kann. Ein lustiger Vorschlag ist auch die Einführung einer Lobby-Abgabe!
Biallo.at: Beim G8/G20-Gipfel stand das Thema Bankenabgabe mal wieder auf der Agenda. Genügt es nicht einfach, eine Abgabe wie sie selbst die Finanzplätze England und Schweiz erheben, auf die EU zu übertragen?
Giegold: Bei dem Treffen der Regierungschefs beim G20-Gipfel ist in dieser Hinsicht leider wenig fortschrittliches passiert. Auf internationaler Ebene konnte keine Einigkeit für ein sinnvolles Projekt erzielt werden. Unsere zentrale Forderung nach einer allgemeinen Finanztransaktionssteuer in Europa bleibt trotz der Einführung von Bankenabgaben und Bonibeschränkungen dennoch bestehen. Sogar die Bundesregierung favorisiert dieses Model inzwischen.
Die Steuer hätte neben der Möglichkeit, dringend benötigtes Geld in die Staatskassen zu spülen, auch noch einen regulativen bzw. lenkenden Effekt, wodurch ganz kurzfristiges Spekulieren unattraktiv werden würde. Zur Stabilisierung der Finanzmärkte, die der Stützung der Realwirtschaft dienen sollen, kann sie problemlos parallel zu anderen Maßnahmen eingeführt werden. Zuletzt haben sich viele europäische Staats- und Regierungschefs in Europa dafür ausgesprochen. In den nächsten Monaten wird die Debatte darüber sicherlich andauern und hoffentlich bald ein Vorschlag für eine europäische Initiative vorgelegt werden.
Biallo.at: Sprechen wir bei der Bankenabgabe von symbolischen oder doch schmerzhaften Abgaben, die uns vor weiteren Fehlentwicklungen schützen?
Giegold: Die zuletzt von der Bundesregierung eingeführte Bankenabgabe ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Durch sie werden zwar geringe Einnahmen erzielt, aber diese Summen reichen bei weitem nicht aus, um entweder die Kosten der letzten Bankenrettungen zu decken oder in zukünftigen Notfällen die benötigte Menge an Geld bereit zu stellen. Für weitere Rettungsaktionen ist sie zu gering.
Lenken bzw. regulieren tut sie die Aktivitäten der Spekulanten, im Gegensatz zu einer Steuer auf eben diese Transaktionen, gar nicht. Wir bleiben dabei: Wir brauchen eine Finanztransaktionssteuer in der EU oder mindestens in der Eurozone. Und um dieses Ziel zu erreichen, wäre eine Finance-Peace sehr hilfreich.