Christian Gattiker-Ericsson: Wir erwarten anhaltende Preisschwankungen im Goldpreis über die nächsten Wochen und Monate. Wer solche Bewegungen nicht mag, sollte aussteigen oder sich absichern - das ist relativ kostengünstig über ein strukturiertes Produkt möglich. Über die kurzfristigen Turbulenzen hinaus macht Gold als Anlageklasse durchaus Sinn, und zwar als Absicherung gegen die Entwertung des Papiergelds. Kursschwächen im Sommer ergäben Möglichkeiten zum Einstieg.
Biallo.at: Eine Pleite Griechenlands oder ein Ausstieg aus der Eurozone kann noch immer nicht ausgeschlossen werden. Wird eine allfällige Insolvenz Griechenlands oder ein Ausstieg aus der Eurozone nach den Goldpreis nach oben treiben?
Griechenland ist schon pleite gegangen
Gattiker-Ericsson: Griechenland ist schon pleite gegangen, die Schuldenrestrukturierung im Frühling ist jedenfalls nach den gängigen Kriterien der Kreditmärkte ein Kreditausfall. Gold hat nur mässig darauf reagiert, da die Übung von den internationalen Gremien generalstabsmässig vorbereitet war. Für einen Ausstieg aus der Eurozone gibt es keine Blaupause, kein bekanntes Prozedere. Obwohl die europäischen Geschäftsbanken nicht mehr direkt in Griechenland engagiert sind, würde ein Austritt - und damit der Zusammenbruch das griechischen Bankensystems - deshalb einige Schockwellen auslösen. Gold könnte sich hier einmal mehr als sicherer Hafen erweisen.
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Gold und Japan mit Potenzial
Gattiker-Ericsson: Das hängt ganz stark von der Europäischen Zentralbank ab: sollte sie die Spar- und Reformbemühungen, und auch das Ringen um einen Wachstumspakt geldpolitisch unterstützen, würde das den Goldpreis beflügeln. Bisher war sie hier eher flügellahm. Sollte die Lösung der Krise aber per Gelddruckmaschine erfolgen, d.h. die Europäische Zentralbank weitet die Geldmenge weiter massiv aus, dürfte der Goldpreis, insbesondere in Euro gemessen noch weiter steigen.
Biallo.at: Wer sind eigentlich die stärksten Goldkäufer? Privatpersonen, Zentralbanken oder Diktatoren in aller Welt, die so ihre Zukunft absichern?
Gattiker-Ericsson: Die Finanzinvestoren haben in den letzten Jahren den Unterschied gemacht. 2011 war die Nachfrage aus Finanzkreisen - Pensionskassen, Fonds, Private - erstmals grösser als die Schmucknachfrage. Die Zentralbanken in den reifen Volkswirtschaften haben aufgehört, Gold auf den Markt zu werfen. Und die Zentralbanken in den Schwellenländern haben angefangen Goldbestände aufzubauen, um sich vor der Dollar- und Euroschwemme zu schützen.
Biallo.at: Welche Anlageprodukte bieten Anlegern aus Ihrer Sicht aktuell interessante Chancen, wenn sie jetzt noch in Gold investieren wollen?
Gattiker-Ericsson: Einige strukturierte Produkte bieten die Möglichkeit, von den aktuellen Schwankungen im Goldpreis zu profitieren. Die Anleger erhalten eine ansprechende Zinszahlung für das Risiko. Falls der Goldpreis eine gewisse Schwelle nicht unterschreitet, wird ihnen 100 Prozent des eingesetzten Kapitals zurückbezahlt. Im gegenteiligen Fall erhalten Sie Gold als Gegenwert. So lassen sich die kurzfristigen Unwägbarkeiten aus Anlegersicht etwas bändigen.
Biallo.at: Was sind aus Ihrer Sicht aktuelle Alternativen zu Gold, um Euro-Guthaben optimal anzulegen?
Gattiker-Ericsson: Wer sich im Hinblick auf einen Super-GAU in Europa in Gold engagieren möchte, hat wenig Alternativen. Sachwerte allgemein wie z. B. Immobilien gelten in solchen Phasen als Möglichkeit der Wertaufbewahrung. Wer aber von einem einigermassen kontrollierten Ablauf der Schuldenkrise ausgeht und "nur" eine moderate Abwertung des Papiergelds erwartet, kann auch Goldaktien oder andere Edelmetalle wie Platin ins Auge fassen.
Christian Gattiker-Ericsson
Christian Gattiker-Ericsson, CFA, CAIA ist Chefstratege und Leiter Research bei der Bank Julius Bär & Co. Ltd., sowie ständiges Mitglied des Anlageausschusses der Bank. Zuvor wirkte er als globaler Aktienstratege und Aktienanalyst bei der Credit Suisse, und bei einer unabhängigen Investor Relations Agentur als Consultant für börsenkotierte Unternehmen im In- und Ausland. Inhaltlich beschäftigte er sich insbesondere mit der Analyse von Einzelunternehmen, Aktienstrategie wie auch der Anlagepolitik über verschiedene Anlageklassen. Christian Gattiker hat seine Studien als lic.rer.pol in Volkswirtschaft und Politologie an der Universität Bern abgeschlossen.