Roland-Peter Stöferle: Die Stimmung hat sich deutlich eingetrübt. Trotz allem notierte der Goldpreis im Vorjahr um 6,2 Prozent fester, dies war bereits das 12. positive Jahr in Folge. Insofern würde ich den derzeitigen Pessimismus als „Jammern auf hohem Niveau“ bezeichnen. Wir befinden uns technisch gesehen derzeit sowohl bei Gold, als auch Silber in einer „make or break“-Situation. Beide Metalle notieren über der 200-Tage-Linie aber auch unter ihrem Widerstand in Form der 50-Tage-Linie. Die Saisonalität dreht nun langsam ins Negative, während sich das Sentiment deutlich eingetrübt hat, das erkennt man auch am CoT-Report. Zudem haben zahlreiche große Investmentbanken ihre Kursziele reduziert, die Credit Suisse sprach beispielsweise von einem „wounded bull“. Dies stimmt mich aus Sicht eines Contrarians äußerst zuversichtlich, schließlich enden langfristige Bullenmärkte niemals mit Skepsis und Angst, sondern immer in der Euphorie. Zudem denke ich, dass die Inflationierungspolitik seitens der Notenbanken munter weitergehen wird. Japan ist hier ein gutes Beispiel, man propagiert nun „unlimited QE“. Das Ergebnis: Auf Yen-Basis notiert der Goldpreis auf einem neuen Allzeithoch. Ähnliches wird auch auf Euro, Dollar- und Pfund-Basis a la longue passieren.
Man erkennt derzeit, dass sich einige Makro-Daten deutlich besser als prognostiziert entwickeln. Insofern kann ich mir gut vorstellen, dass sich Silber auf Jahressicht am Besten entwickeln wird. Bei Gold halte ich neue Allzeithochs für realistisch, ja sogar sehr wahrscheinlich. Für Platin sehe ich im Moment nur noch relativ wenig Upside.
Biallo.at: Börsen-Hype: Offenbar verliert die Euro-Schuldenkrise seit geraumer Zeit an Schrecken. Die Börsen jedenfalls eilen von Hoch zu Hoch, die Risikobereitschaft steigt. Sind sichere Häfen wie Gold oder der Schweizer Franken nun automatisch korrekturanfällig?
Stöferle: Ich halte die derzeitige „Krise war gestern-Stimmung“ für trügerisch. Als Goldinvestor sollte man sich folgende einfache Fragen stellen:
Ich glaube, dass die Beantwortung dieser einfachen Fragen ganz klar suggeriert, dass man Gold weiterhin übergewichten sollte.
Stöferle: Die Flucht in die Sachwerte findet klar statt. Dies erkennt man einerseits an der Diskrepanz zwischen „Papiergold“ und physischem Gold und andererseits auch an den haussierenden Preisen bei Immobilien, Kunst und natürlich auch Bonds. Anleihen notieren – trotz miserabler Fundamentaldaten – auf Allzeithochs. Ich denke, dass die Politik der finanziellen Repression am Ende des Tages für enorme Verwerfungen sorgen wird.
Biallo.at: Silbertrend: Während der jüngste COT-Report einen regelrechten Einbruch der Goldspekulanten auswies, setzten vor allem Großspekulanten auf Silber. Sehen Sie eine neue Trendwende am Rohstoffmarkt?
Stöferle: Ich würde das CoT-Bild bei Silber tendenziell eher negativ interpretieren. Insofern gehe ich davon aus, dass sich Gold im ersten Quartal besser entwickeln wird als Silber.
Biallo.at: Geldschwemme: Notenbanken überfluten den Markt mit Kapital. Langfristig spricht dies für steigende Inflationsraten. Was schützt besser: Edelmetalle wie Gold, Silber oder Platin, die eigene Immobile oder alternative Investments, beispielsweise in Waldprojekten?
Stöferle: Die stark gestiegenen Basisgeldmengen bergen erhebliches Teuerungsrisiko. Sobald die Transmissionsmechanismen auftauen und das Kreditwachstum anzieht, könnte es hier sehr schnell gehen. Ich denke, dass Gold und Silber schon seit Jahrhunderten eine monetäre Bedeutung haben. Der Markt hat sich im Zuge eines „trial and error“ Prozesses das optimale Geld ausgesucht und dabei haben sich – aus guten Gründen – eben nicht Ziegenhäute, Zigaretten oder Salz durchgesetzt. Es macht wenig Sinn, Gold mit Waldprojekten oder Immobilien zu vergleichen. Im Zweifel werde ich jedoch im Moment zu Gold tendieren, nachdem im Krisenfalle Liquidität ein wesentlicher Faktor ist.
* Studium der Betriebswirtschaft und Finanzwissenschaften an der Wirtschaftsuniversität
Wien und der University of Illinois, Urbana-Champaign
* Chartered Market Technician (CMT), Certified Financial Technician (CFTe) und Master
of Technical Analysis