Im Jahr 2015 betrug das Wirtschaftswachstum gerade einmal 6,9 Prozent und damit so wenig wie noch nie in den vergangenen 25 Jahren! Was geschieht, wenn die Wachstumslokomotive China ausfällt?
Ganz so bedrohlich ist die Situation dann allerdings noch nicht. Die Lösung für diese Beruhigung liegt mal wieder in der kleinen Finanzmathematik. Denn argumentiert wird ja immer mit den prozentualen Wachstumszuwächsen gegenüber dem Vorjahr. Und damit kommt der meist vernachlässigte Basiseffekt ins Spiel: jede bisherige Steigerung erhöht die Basis, gegenüber der die nächste Steigerung gemessen wird, wie ein einfaches Zahlenbeispiel verdeutlicht.
Wie ein Zahlenbeispiel beruhigen kann
Jahr |
Wirtschaftsleistung |
Zuwachs |
In Prozent |
1 |
10.000 |
590 |
5,90 |
2 |
10.590 |
590 |
5,57 |
3 |
11.180 |
590 |
5,28 |
4 |
11.770 |
590 |
5,01 |
5 |
12.360 |
590 |
4,77 |
6 |
12.950 |
590 |
4,56 |
7 |
13.540 |
590 |
4,36 |
8 |
14.130 |
590 |
4,18 |
Unterstellt wird hier eine gleichbleibende Steigerung der Wirtschaftsleistung um 590 Einheiten im Jahr. Da aber jede Steigerung zugleich die Bemessungsgrundlage für das nächste Jahr erhöht, kommt es zu einer nur scheinbar katastrophalen Entwicklung: die prozentuale Steigerung sinkt. Werden wir hierdurch ärmer? Wohl kaum, da ja die Gesamtleistung weder sinkt noch gleich bleibt, sondern sogar steigt.
Der Wunsch nach immer wieder gleich hohen (oder sogar steigenden) Steigerungsraten ist hingegen sogar gefährlich: denn mit dem Anstieg der Bemessungsgrundlage kommt es zu einem exponentiellen Wachstum:
Wenn Wünsche gefährlich werden können
Jahr |
Wirtschaftsleistung |
Zuwachs |
In Prozent |
1 |
10.000 |
590 |
5,90 |
2 |
10.590 |
625 |
5,90 |
3 |
11.215 |
662 |
5,90 |
4 |
11.876 |
701 |
5,90 |
5 |
12.577 |
742 |
5,90 |
6 |
13.319 |
786 |
5,90 |
7 |
14.105 |
832 |
5,90 |
8 |
14.937 |
881 |
5,90 |
Jede Steigerung um den bisherigen Wert von 5,9 Prozent erhöht die Bemessungsgrundlage und damit den wertmäßigen Zuwachs im nächsten Jahr. Bei gleicher Steigerungsrate von 5,9 Prozent steigt so der wertmäßige Zuwachs in nur acht Jahren von 590 auf 881 an – mit weiter exponentieller Tendenz.
Klingt zuerst einmal toll, wird doch das Wachstum immer wieder so in den Mittelpunkt gestellt?!? Was aber bedeutet ein exponentiell steigender Verbrauch bei begrenztem Angebot: drohende / zunehmende Knappheit und Preissteigerungen. Beim selbst erstellten und verkauften Produkt scheint dies noch positiv zu sein, bei den von uns verwendeten Rohstoffen und Vorprodukten jedoch nicht. Und vom Wohl einer konstanten / steigenden Steigerungsrate beim Ausstoß von Kohlendioxyd und Feinstaub (jeweils als Nebenprodukte des Wohlstands) haben wir uns ja zum Glück bereits verabschiedet.
Wie so oft ist es fatal, komplexe (wirtschaftliche) Zusammenhänge auf eine Kennzahl zu reduzieren und mit dieser dann zu steuern. Dies gilt auch für obige Bemessungsgrundlage: die Leistung bzw. das Bruttosozialprodukt. Denn hierbei handelt es sich um die Leistung einer Volkswirtschaft, das heißt einer Gruppe von Menschen. Bleibt die Leistung der Gruppe gleich während die Anzahl der Gruppenmitglieder sinkt – steigt zugleich die Leistung je Gruppenmitglied. Also Wachstum beim Einzelnen bei Konstanz in der Gruppe!
Ist es noch zeitig genug am Jahresanfang, um einen Wunsch für 2016 zu äußern: Ich hätte gerne von der Wirtschaftspresse mehr als nur die simplen Kennzahlen, um mir (und anderen) das Verstehen der realen Hintergründe zu ermöglichen.