Dass vor einigen Wochen eine wegweisende Abstimmung in Großbritannien stattfand, womit der Brexit beschlossen wurde, merken Anleger an der Börse überhaupt nicht mehr.
Das britische Brexit-Votum scheinen die Aktionäre mittlerweile ganz zu ignorieren. Nur wenige Tage nach Bekanntwerden der Abstimmung über den Verbleib des Vereinigten Königreichs in der Europäischen Union hatten wieder die Bullen das Ruder übernommen, wie es so schön am Börsenparkett heißt, wenn die Zeichen wieder auf steigende Kurse stehen.
Aus Sicht der Zürcher Kantonalbank Österreich sind hauptsächlich die USA dafür verantwortlich, da die Konjunkturdaten zuletzt überraschend gut ausfielen. Auch der Arbeitsmarkt zeigte sich robust. An diesen Messgrößen hat sich in der Vergangenheit die US-Notenbank (Fed) orientiert, wenn es um mögliche Leitzinssenkungen ging. „Insgesamt würde die aktuelle Datenlage eine weitere Leitzinsanhebung der Fed zulassen. Dagegen sprechen aber die niedrigen Inflationserwartungen der Finanzinvestoren und die internationalen Risiken wie beispielsweise die noch unklaren Auswirkungen des Brexit-Votums und die Bankenkrise in Italien. Die US-Notenbank wird daher weiter abwartend agieren“, sagt Christian Nemeth, Mitglied des Vorstands der Zürcher Kantonalbank Österreich AG.
Damit nennt der Experte gleichzeitig die weiteren Unwägbarkeiten, die am Börsenparkett vorherrschen. Das Brexit-Thema ist also nicht vom Tisch. Auf Großbritannien sehen die Fachleute der Zürcher Kantonalbank Österreich einige Probleme zukommen. Die wirtschaftliche Lage habe sich massiv verschlechtert. „Wir erwarten eine technische Rezession für das Winterhalbjahr mit zwei negativen Quartalen in Folge, gehen aber davon aus, dass die Realwirtschaft in Großbritannien nicht komplett einbrechen wird. Die Wachstumsraten für die Gesamtjahre 2016 und 2017 werden insgesamt daher positiv bleiben“, so Nemeth.
Wie geht es weiter mit den Zinsen in Europa?
In der Eurozone konnte das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal 2016 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,3 Prozent zulegen. „Die Erholung sollte sich in der zweiten Jahreshälfte fortsetzen, der konjunkturelle Rückenwind wegen des Brexit-Entscheids wird jedoch abnehmen“, so Nemeth. Insgesamt sei die Konjunktur in Europa auf weitere Unterstützung aus Frankfurt angewiesen. Daher rechnen die Anlageexperten damit, dass die EZB noch heuer das im März 2017 auslaufende Anleihekaufprogramm (Quantitative Easing) verlängern wird.
Tipp: Eine Verlängerung des Anleihekaufprogramms seitens der EZB würde das Zinsniveau in Österreich weiter gering halten. Konzentrieren Sie daher am besten auf zwei- und dreijährige Laufzeiten. Hier haben die französische Großbank Credit Agricole und die österreichische Deniz-Bank die Nase vorn.