Denkfallen, die unsere passive Einstellung enttarnen
Kambiz Poostchi appelliert 2006 in seinem Buch „Spuren der Zukunft. Vom Systemdenken zur Teampraxis“ die Freiheitsstatue durch ein Verantwortungsmahnmal zu ersetzen. In unserer vernetzten Welt darf die Optimierung von Einzelinteressen nicht im Vordergrund stehen. Vielmehr braucht es Verantwortungsbewusstsein, dass das Handeln des Einzelnen Auswirkungen auf das gesamte System hat. Der Dominoeffekt nach dem Konkurs der Lehman Brothers Inc. und die an der kanadischen Küsten angetriebenen Wrackteile, die durch die atomare Katastrophe von Fukushima verstrahlt sind, verdeutlichen globale Zusammenhänge.
„Die Anderen sollten …“, „Der Staat müsste …“, „Schuld ist …“ sind Denkfallen, die unsere passive Einstellung enttarnen. Albert Einstein hat gemeint, der größte Wahnsinn sei, nichts zu ändern und sich zu wundern, dass sich nichts ändert. Warum fallen uns Veränderungen der Einstellungen und der Handlungsweise so schwer?
Solange man inkompetent ist, fällt es schwer, die eigene Inkompetenz zu erkennen
Tatsächlich liebt unser Hirn Vertrautes. Alles, was wir bisher gedacht, gesprochen, empfunden und gehandelt haben, ist als Eiweißbrücken in unserem Unbewussten gespeichert. Es ist ressourcenschonend auf eingefahrene Denktrampelpfade zurückzugreifen. Da braucht es ein Wachrütteln, um die Spurrillen bisheriger Lösungsstrategien, die unter geänderten Rahmenbedingungen kontraproduktiv geworden sind, zu verlassen. Erschwerend kommt der Dunning-Kruger-Effekt hinzu: solange man inkompetent ist, fällt es schwer, die eigene Inkompetenz zu erkennen und der Kompetenz Anderer zu vertrauen.
Darum finden ExpertInnen, die dringend zum Umdenken und raschen Handeln mahnen, so schwer Gehör. Die Maxime von Sokrates „Ich weiß, dass ich nicht(s) weiß“ gewinnt in einem Umfeld mit steigendem Grad der Ungewissheit an Bedeutung. Es braucht wertschätzend-kritisches Hinterfragen der Gültigkeit von impliziten Annehmen und der daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen.
Sieben Fragen an: Manfred Lappe
Wo bei Krediten die Gefahren lauern
Geldanlage
Tierische Rendite
High Performance
Rechtzeitig vorsorgen: Glückskonto anlegen
Der Neurobiologe Gerald Hüther von der Universität Göttingen meint, unsere Gesellschaft befände sich an einem Übergang vergleichbar mit der evolutionären Entwicklung vom Insekt zum Wirbeltier. Alle bisherigen Kulturen hatten als äußere Schale, das klare Ziel des Überlebens – sei es bzgl. Nahrungsbeschaffung oder in Kriegen. Das war ein klarer Fokus. Wir sind die erste Gesellschaft, in der das Überleben in hohem Maße gesichert ist, und damit diese Form der Außenorientierung wegfällt.
So wie Wirbeltiere nur auf den Schutz des Außenpanzers verzichten können, weil sie eine Wirbelsäule entwickelt haben, bräuchten wir eine innere Orientierung, ein moralisches Rückgrat von Werten, die uns Halt geben. Das Theaterstück „Achtundsechzig Jahre Kriegsfreiheit“ von Leon Engler gewann heuer den Nachwuchswettbewerb Drachengasse 2013 unter dem Motto „EMPÖRT EUCH!“ Darin wird thematisiert, wie ein junger Mann, der in der Konsumationshaltung von überfürsorglichen Eltern und Staat versorgt zu werden aufgewachsen ist, die Vielzahl der ihm zugänglichen Optionen und der daraus resultierenden Entscheidungsnotwendigkeit als völlige Überforderung erlebt. In einem dramatisch höchst spannenden Dialog beneidet er seinen Vater, der EIN klares Ziel kannte: den Krieg überleben. Vermutlich ist das ein Erklärungsansatz, warum Rechtsradikalismus unter jungen Menschen zunimmt.
Veränderungsvorhaben können gelingen, wenn L*V*KS > BV gilt. Es braucht einen Leidensdruck und ein Problembewusstsein, die Einsicht zur Handlungsnotwendigkeit. Auf dem hohen Ross der Selbstzufriedenheit versanden Vorhaben! Genauso wichtig ist aber auch eine Vision, eine Vorstellung davon, was der verbesserte Zustand bewirkt und ermöglicht. Und schließlich müssen konkrete Schritte vereinbart werden. Nur wenn das Produkt dieser 3 Faktoren größer ist als das Beharrungs-Vermögen des Systems, kann sich etwas verändern! Zu beachten ist, dass die einzelnen Größen durch Multiplikation verbunden sind, das Ergebnis daher 0 ist, wenn nur ein einzelner Faktor auf 0 steht! Zusätzlicher Druck ohne Aussicht auf Erfolg fordert die Leidensfähigkeit, fördert aber nicht die Veränderungsbereitschaft!
Übrigens ist Ihnen schon aufgefallen, dass es PROblem heißt und nicht CONTRAblem? Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet ursprünglich „das, was zur Lösung vorgelegt wurde“. Tatsächlich ist unsere Einstellung zu und unser Umgang mit Herausforderungen überlebenswichtig. Von der Wiege bis zur Bahre ist unser Hirn geschaffen, um PRObleme zu meistern und daraus die bestärkende Erfahrung der Eigenwirksamkeit zu schöpfen. Nicht zufällig ist derzeit eines der Management-Trendwörter Resilienz, die Überlebensfähigkeit von Menschen und Organisation in Krisen.
Warum gehen die Einen gestärkt aus kritischen Situationen und die Anderen brechen daran? Eine Kopf-in-den-Sand-Mentalität, Selbstmitleid und Ohnmachtsgefühle stehen ganz oben auf der Liste der Dont’s. Realistische Einschätzung der Situation, Zuversicht und Selbstvertrauen sind hingegen das Erfolgstrio zum souveränen Meistern risikoreicher Passagen. „Was stimmt mich zuversichtlich, dass wir es schaffen werden?“ polt Teufelskreise negativer Erwartungen in Erfolgsspiralen um. Und: „Was ist mein Beitrag dazu?“ die verantwortungsvolle Frage von Menschen mit Zivicourage. „Enkerltauglich“ bringt die Forderung der Nachhaltigkeit an unsere Gesellschaft am treffendsten auf den Punkt.