Biallo: Was bedeutet FinTech?
Reiner: FinTech ist eine junge Dienstleistungsbranche im Finanzsektor. Der Name ist ein Kunstwort aus den Begriffen Finanzen und Technologie. Im Gegensatz zu etablierten Banken stehen dabei vor allem kundenorientierte Produktlösungen im Vordergrund. Außerdem bieten FinTech-Unternehmen durch moderne Technologie und einen hohen Automatisierungsgrad eine kostengünstige Alternative zu vielen Banklösungen. Die FinTech-Branche arbeitet zwar meist mit Banken zusammen, fördert aber gleichzeitig den Wettbewerb zu diesen.
Biallo: Bisher waren Banken ja die Hauptdienstleister im Finanzbereich. Wie unterschieden sich FinTech -Unternehmen von Banken?
Reiner: Banken vertreiben häufig Standartprodukte. Gerade das Angebot für Privatkunden ist dabei starr und rigide und häufig auch recht teuer. Der Kundennutzen steht hier nicht immer im Zentrum des Interesses, das zeigt sich beispielsweise daran, dass viele Informationen – insbesondere über die Kosten und Risiken von bestimmten Anlageprodukten – verschleiert wurden und auch teilweise noch werden. Diese mangelnde Transparenz und Kundenorientierung ist eine Marktlücke, die von der FinTech -Branche nun genutzt wird. Die Unterschiede liegen für mich also hauptsächlich in der Qualität, dem Preis sowie dem Vertriebskanal, der sich meist auf den direkten Onlinekanal beschränkt.
Biallo: Wenn Banken unvorteilhafte Produkte anbieten, wie konnten sie ihre Marktmacht dann so lange halten? Hat die Logik des Wettbewerbes hier versagt? Oder anders gefragt: Warum entstehen die FinTech -Startups erst jetzt?
Reiner: Dabei spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Zum einen hat die vergangene Finanzkrise das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in das Finanzsystem – und speziell in Banken – stark erschüttert. Viele Menschen verloren trotz persönlicher Beratung bei ihrer Hausbank Sparguthaben, die etwa für die Altersvorsorge gedacht waren. Das tut besonders weh. Die Verbraucher haben gesehen, dass der Bankberater eben kein Berater ist, sondern vielmehr ein Verkäufer, der je nach Provision auch häufig teure und unpassende Produkte vermittelt. Kunden suchen nun vermehrt auch online nach Alternativen und unabhängiger Beratung. Zudem sind Sie auch eher bereit, den Anbieter zu wechseln als dies noch vor einigen Jahren der Fall war. Diese erhöhte Wechselbereitschaft ist wichtig für die Öffnung des Marktes. Zudem sind auch die Kosten für einen Wechsel durch das digitale Angebot gesunken. So hat die BaFin zum Beispiel erst im Jahr 2014 die Videoidentifikation für die Eröffnung von Konten ohne den Gang zur Postfiliale erlaubt.
Ein weiterer wichtiger Faktor ist der steigende Wunsch nach digitalen Lösungen für Anwendungen im Finanzbereich. Das zeigt sich unter anderem daran, dass inzwischen über 50 Prozent der Nutzer ihre Bankgeschäfte per Online-Banking erledigen. Die Direktbanken, die oft Online-Ableger klassischer Finanzinstitute sind, gehen bereits auf diesen Trend ein und bieten den Kundinnen und Kunden Finanz-Apps und Online-Konten zu geringeren Gebühren an, bleiben jedoch meist bei den Standartprodukten. FinTech-Unternehmen sind auf diese Nachfrage im Finanzsektor spezialisiert. Sie bieten mobile und moderne technische Lösungen und erweitern zugleich das Produktspektrum, zum Beispiel durch Finanzprodukte.
Zusammenfassend profitiert der neue Markt demnach vom gestiegenen Misstrauen gegenüber den Banken und der daraus resultierenden gestiegenen Wechselbereitschaft, den gesunkenen Wechselkosten, sowie dem Wunsch nach Digitalisierung.
Biallo: Können Sie mir drei Beispiele für FinTech-Unternehmen nennen und welchen neuen Kundennutzen und technischen Fortschritt diese jeweils bieten?
Reiner: Es gibt natürlich bereits eine Vielzahl an FinTech-Firmen am Markt. Mir fallen da beispielsweise Number26, Transferwise und IDnow ein. Number26 bietet ein Girokonto, das sehr gute Konditionen mit einer intuitiven Mobile-App kombiniert. Transferwise hat eine schlaue Technologie entwickelt um kostengünstige Auslandsüberweisungen zu ermöglichen. Und IDnow bietet mit der Videolegitimation als Alternative zum PostIDENT überhaupt erst den einfachen Zugang zu den FinTech-Unternehmen, indem es eine Kontoeröffnung in zehn Minuten und ohne Gang zur Post ermöglicht.