Nach dem Sieg des Linksbündnisses Syriza bei den Parlamentswahlen in Athen wird der Parteichef Tsipras Hoffnungsträger von Millionen Griechen, die sich von Europa gedemütigt fühlen. Brechen neue Zeiten an der Ägäis an?
Doch noch bevor Tsipras überhaut seinen Amtseid schwören kann, befindet er sich bereits in einer ausweglosen Lage – egal wie er handelt, er kann sich nur schuldig machen.
Korruption und Selbstbedienung - Realität in Griechenland
Nun würde man es sich zu einfach machen, die Quasi-Pleite Griechenlands als gottgegeben oder schicksalhaft hinzunehmen. Nicht die Götter haben das südeuropäische Land abgewirtschaftet und an den Rand eines Staatsbankrotts getrieben. Es war auch nicht das Schicksal, das den Griechen übel mitgespielt hat – sondern Vetternwirtschaft, Korruption, ein überbordender Beamtenapparat und eine seltsame Selbstbedienungsmentalität gegenüber dem Gemeinwesen.
Lange Zeit hat die gemeinsame europäische Währung die frappierenden Unterschiede in der Wirtschafts- und Finanzkraft der einzelnen Mitgliedsstaaten kaschiert. Investments in europäische Staatsanleihen waren aus Investorensicht praktisch risikolos – obwohl die EU-Verträge die gegenseitige Haftung für Staatsschulden ausschließen.
Euro ohne Sparpaket - Tsipras will beides
Tsipras will, wie die überwältigende Mehrheit der Griechen auch, weiterhin in der EU bleiben und den Euro behalten. Aber er ist, wie ebenfalls die Mehrheit in Griechenland, nicht länger bereit, sich dem gemeinsamen Spardiktat der EU, der EZB und des Internationalen Währungsfonds (Troika) zu unterwerfen. Ein Schuldenschnitt soll her, die Reformpolitik beendet werden.
Wie reagiert die Troika?
Die Troika wird mit der neuen griechischen Regierung über Erleichterungen für die Griechen verhandeln. Groß sind die Spielräume nicht. Akzeptiert sie das Ende der Sparpolitik und stimmt einem Schuldenschnitt ohne Konsequenzen in Sachen Euro-Mitgliedschaft zu, sind EZB und EU künftig erpressbar. Gut sichtbar steht auf der Akropolis nun das Einfallstor zur Gemeinschaftshaftung in der Eurozone.
Und Tsipras? Der Wahlsieger signalisiert Verhandlungsbereitschaft. Doch als tragischer Held darf er seine Ideale und Werte nicht verraten – und sich damit schuldig machen. Denn wenn es hart auf hart kommt, wäre die Staatspleite in Athen nicht mehr abzuwenden, ein Euro-Austritt unvermeidbar. Bessere wirtschaftliche Perspektiven ergeben sich für das Land und seine Bürger dadurch gewiss nicht.
Schuldlos schuldig?
Schuldlos schuldig im Sinne einer klassischen griechischen Tragödie aber ist Tsipras nicht. Denn er wusste von Anfang an, dass seine Wahlversprechen praktisch nicht umsetzbar sind. Die Europäische Zentralbank, die sich ja auch nicht immer so genau an Verträge gebunden fühlt, wird in den kommenden Wochen und Monaten allerhand zu tun haben, um die Scherben der modernen griechischen Tragödie aufzukehren.
Hoffentlich hat EZB-Chef Mario Draghi sich nicht verzockt und das Ankaufprogramm für Staatsanleihen zu früh angekündigt. Er hat damit zumindest nicht den Wahlsieg Tsipras verhindert – genauso wenig wie die Drohung der Bundesregierung, die Hilfszahlungen für Griechenland zu stoppen, sollten die Bedingungen dafür nicht mehr gegeben sein. Die Märkte signalisieren: Die Eurozone wird an Griechenland wirtschaftlich nicht zerbrechen. Doch politisch droht die Spaltung – das ist die eigentliche Tragödie.
Bis 2016: Zinsen verharren auf Tiefständen
In politisch und wirtschaftlich schwierigen Zeiten bleiben die Zinsen in der Eurozone auf ihren historischen Tiefstständen. Mindestens bis Mitte 2016 – solange will die EZB jeden Monat Staatsanleihen im Volumen von 60 Milliarden Euro kaufen. Ein riskantes Unterfangen, von dem vor allem Schuldner profitieren
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