Jetzt ist es soweit: die Schuldenquoten der europäischen Länder sinken drastisch. Möglich macht dies die Bezugsgröße dieser Berechnungen: das sogenannte Bruttoinlandsprodukt (BIP).
Italien zeigt, wie es geht: Drei Jahre Rezession mit hoher Arbeitslosigkeit und nun steigt die Menge der produzierten Güter und Dienstleistungen stark an. Höhere Steuereinnahmen zur Rückzahlung von Schulden oder für Investitionen sind hierdurch aber leider nicht zu erwarten. Denn die Europäische Union greift Italien und anderen Ländern bei diesem Kraftakt stark unter die Arme. Seit September sollen in Europa einheitlich auch alle Bereiche der Schattenwirtschaft wie Kriminalität und Prostitution mit in das Bruttoinlandsprodukt eingerechnet werden. Und dieses wird in Italien auf über 20 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung geschätzt.
Österreich wird von dieser europaweiten Einbeziehung von illegalen Aktivitäten in die amtliche Wirtschaftsleistung leider nicht profitieren. Dieses jedoch liegt nicht daran, dass es in Österreich etwa keine Kriminalität gibt. Grund ist vielmehr, dass die Statistik Austria diese Schattenwirtschaft bereits seit dem Jahr 2009 berücksichtigt.
Kriminalität, Prostitution und andere Bereiche der Schattenwirtschaft – leider werden diese nicht mit Kassenbon und Rechnung ordnungsgemäß dokumentiert. Die Statistiker müssen daher auf Schätzungen ausweichen. Im Jahr 2012 war dies für Österreich eine Zuschätzung von immerhin 890 Millionen Euro, was aber nur 0,3 Prozent des heimischen Bruttoinlandsproduktes ausmachte.
Die Hoffnung für die Annäherung an das Null-Defizit hängt also stark von der qualifizierten Zuschätzung der heimischen Schattenwirtschaft ab. Ein sinkendes Vertrauen in unsere Politik und Polizei würde rein statistisch zu einer höheren Zuschätzung der Schattenwirtschaft und damit (über ein höheres BIP) zu einem Sinken der Schuldenquote führen. Andere Länder wie das genannte Italien stecken hingegen in einer echten Zwickmühle: eine Bekämpfung der Kriminalität führt unweigerlich zu geringeren Zuschätzungen des BIP und damit einem Verstoß gegen die Verschuldungskriterien der EU. Was also sollen wir tun und unseren europäischen Nachbarn raten?
Es macht Sinn, die Berechnung von Kennzahlen auch international zu vereinheitlichen. Nur so sind ein Vergleich und eine einheitliche Steuerung mit Kennzahlen möglich. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass illegale Aktivitäten als Wirtschaftsleistung mit berücksichtigt werden. Und dies natürlich erst recht nicht, wenn die scheinbar genaue Berechnungen jeder Aktivität nur durch ungenaue Schätzungen ermöglicht werden. Aussagekraft und sinnvolle Steuerungsmöglichkeit werden so in Frage gestellt.