27.11.2014

Die Notenbanken und die Börse Und plötzlich ist Jahresendrallye...

Von Peter Lindemann und Wolfgang Walter
Verwundert fragen sich Anleger: Was hat sich in den letzten vier Wochen eigentlich geändert? Die Antwort: Fundamental nichts, geopolitisch nichts, aber psychologisch offenbar alles.
Die Notenbanken und die Börse Und plötzlich ist Jahresendrallye...
Die Börsen nehmen Fahrt auf und keiner weiß so recht warum

...warten, warten, warten...

Starker US-Dollar, global nachlassende Wachstumsdynamik – schon im Oktober hatten die Sorgen vor einer möglichen Delle in der US-Konjunktur in den USA eine Diskussion um die künftige Geldpolitik der amerikanischen Notenbank entfacht.

Schon damals war klar: Fed-Chefin Janet Yellen wird kein Risiko eingehen und die erste Leitzinserhöhung erst vorantreiben, wenn die Luft rein ist. Eine vergleichsweise schwache Einkommensentwicklung in den USA gibt den Notenbankern dafür den nötigen Spielraum.

Neu allerdings ist die abwartende Haltung der Fed nicht – sie wurde nur bestätigt.

... und das tun, was wir tun müssen...

Bestätigung der eigenen Linie – das ist auch das erfolgreiche Kommunikationskonzept der Europäischen Zentralbank (EZB). Um die wachstumsgefährdende niedrige Inflation zu bekämpfen, verkündet EZB-Chef Mario Draghi – zur Not auch mal gegen alle internen Absprachen – seit einigen Wochen die Ausweitung der Notenbankbilanz um eine Billion Euro.

Zuletzt verzückte die Wiederholung des ewig Gleichen auf der Europäischen Bankenkonferenz in Frankfurt die Finanzmärkte. „Wir werden das tun, was wir tun müssen, um die Inflation und die Inflationserwartungen so schnell wie möglich zu erhöhen, wie es unser Auftrag verlangt“, versprach Draghi. Und alle wissen: Der EZB-Chef schreckt dabei auch nicht vor einem Ankaufprogramm für Staatsanleihen zurück. Ginge es allein nach ihm, wäre der Startschuss dafür wohl schon gefallen.

...mit billigem Geld zu euphorischen Börsen...

Das billige Geld bleibt weiterhin die Droge für die Aktienmärkte. Die europäische Berichtssaison lässt zwar hoffen, dass die lange Zeit der negativen Gewinnrevisionen bei den Unternehmen endlich zu Ende geht. Die Abwertung des Euros dürfte sich schon in den Bilanzen des vierten Quartals positiv niederschlagen. Doch die konjunkturellen und geopolitischen Risiken haben sich zuletzt noch verschärft.

Im Ukraine-Konflikt ist keine Annäherung zwischen Russland und dem Westen in Sicht. Das Wirtschaftswachstum in der Eurozone ist für einen nachhaltigen Aufschwung viel zu schwach. Wichtige Länder wie Frankreich verweigern sich weiterhin Reformen.

Und in Griechenland droht der Aufstand gegen die Gängelung aus Brüssel. Möglicherweise kommt es in Athen im Frühjahr sogar zu Neuwahlen – ein Linksrutsch könnte die Anti-Europäer an die Macht bringen. Wird Griechenland dann ein zweites Mal zur Keimzelle einer Euro-Krise?

...die Risiken ausblenden...

Die Anleger kümmert das derzeit wenig. Sie blenden die Risiken aus – oder sehen in ihnen gar die Garantie für die Fortsetzung der ultra-lockeren Geldpolitik der Notenbanken. Klar ist: Bevor die EZB einen Kurswechsel vornimmt, werden noch viele Krisenmomente zu bewältigen sein. Und so lange bleibt auch die Zinsen dort, wo sie sind: tief im Keller.
Foto: Colourbox.de ID:4162